Virtuelle Zusammenarbeit verstetigt etablieren

Interview mit Dr. Christian M. Stracke

Multimedia-Annotationen, Rechen- und Programmierumgebungen und 3D-Welten für virtuelle Zusammenarbeit mit Studierenden einsetzen

Im Interview fasst Dr. Christian M. Stracke die drei etablierten Innovationen des ViCo-Projekts zusammen, die jetzt an der Universität Bonn die digitale Zusammenarbeit in der Lehre zu drei interdisziplinären Themen ermöglichen: 1. Annotationen in verschiedenen Medien, 2. wissenschaftliche Rechen- und Programmierumgebungen und 3. immersive 3D-Welten. Weiter berichtet er über Evaluationsergebnisse, neu etablierte Formate für Lehrende und die Relevanz von weltweiten digitalen souveränen Bildungsangeboten.

Christian M. Stracke ist Projektkoordinator von Virtual Collaboration, kurz: ViCo, der Universität Bonn. Das Projekt fokussiert insbesondere die Einführung von digitaler Kleingruppenarbeit in der grundständigen Lehre. Es wurden universitätsweit neue Möglichkeiten geschaffen, durch digitale Instrumente und Tools die Lehre zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Lehrende auch die Möglichkeit haben, digitale Kleingruppenarbeit (erstmalig) einzuführen. Digitale Kleingruppenarbeit meint nicht nur die Kleingruppenarbeit der Lehrenden mit den Studierenden, sondern auch der Studierenden untereinander.

Sophie Domann: Welche Aspekte waren Ihnen im Projekt besonders wichtig?

Christian Stracke: Besonders fokussierte das Projekt selbstständiges Arbeiten, interaktive Formate, sowie die Möglichkeiten, eigenverantwortlich Aufgaben zu bearbeiten, sich gegenseitig auszutauschen und durch Peer Reviews zu unterstützen. Über alle Fakultäten hinweg wurden von ViCo drei thematische Schwerpunkte adressiert und jeweils Instrumente und Tools dafür integriert und implementiert.

Multimedia-Annotationen

Den ersten thematischen Schwerpunkt bilden Annotationen zu Multimedia: unterschiedliche Medienarten von Texten über Bilder, PDFs bis hin zu Videos, Animationen oder Simulationen wurden in den Blick genommen. Wichtig war, diese Multimedia-Formate in einem Online-Tool synchron zu analysieren, zu kommentieren und auch in einer Diskussion die verschiedenen Multimedia-Angebote zu vergleichen. Gemeinsam mit einem Entwicklungsteam in Österreich und den USA wurde Recogito Studio entwickelt: ein maßgeschneidertes Tool, das nun für digitale Arbeit universitätsweit eingesetzt wird. Recogito Studio ist damit das einzige Open-Source-Annotationstool, das die Datenschutzanforderungen der DSGVO erfüllt und zugleich Lehrenden digitale Lehre mit synchroner Zusammenarbeit in beliebigen Kleingruppen ermöglicht.

Seit zwei Semestern ist das Tool in zehn Lehrveranstaltungen aus sechs Fachbereichen fächerübergreifend im Einsatz. Die regelmäßige Evaluation durch eine Expert*innengruppe führte zu Verbesserungen in der Usability und neuen Funktionalitäten, wodurch alle Erwartungen erfüllt und teilweise übertroffen wurden. Recogito Studio ist nicht innerhalb des Learning Management Systems (LMS) aufrufbar, sondern ein eigenständiges Tool, weil die gleichzeitige Bearbeitung möglich und dabei sichtbar sein soll, wer welchen Kommentar abgegeben hat. Zusätzlich ermöglicht Recogito Studio, auch durch die jederzeit frei wählbare Auswahl von Tags, beliebig auszuwählen, was alles ein- oder ausgeblendet werden soll. Das Lehrdesign, die Lernaufgaben und der Materialpool liegt dabei in der Verantwortung in der Lehrenden, die mit Recogito Studio ihre einzelnen Lehrveranstaltungen individuell in Kleingruppen gestalten können.

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Wissenschaftliches Rechnen und Programmieren

In diesem zweiten Schwerpunkt Wissenschaftliches Rechnen und Programmieren konnte die vorhandene Open-Source-Software JupyterHub angeknüpft werden.

Mit der Anbindung an das LMS eCampus (basierend auf dem Open-Souce-LMS ILIAS) gelang eine Realtime-Collaboration zwischen Studierenden und Lehrenden. Durch die LTI-Schnittstelle, die speziell für JupyterHub direkt im LMS eCampus entwickelt und implementiert wurde, können Lehrende JupyterHub direkt für ihre Lehrveranstaltungen mit einem Klick aktivieren. Dabei können sie zwischen verschiedenen Profilen mit spezifischen Funktionalitäten und Bibliotheken auswählen, die von ViCo als Vorlagen für häufige standardisierte Anforderungen entwickelt wurden oder individuell für Lehrende nach deren Bedarfen angelegt werden.

3D-Welten

Es wurden hochauflösende Modelle entwickelt, darunter die weltberühmte Doppelkapelle in Bonn-Schwarzrheindorf und die Krypta der Kapelle San Marco in Venedig, die virtuell erkundet und in verschiedenen historischen Zuständen betrachtet werden können: Studierende können näher an die Wände herantreten und Details betrachten sowie diverse öffentlich nicht zugängliche Bereiche betreten, was einzigartige Lernmöglichkeiten bietet.

Die Doppelkapelle zu Bonn-Schwarzrheindorf als virtuelle 3D-Welt (© Universität Bonn, CC-BY 4.0)

Sophie Domann: Wie schätzen Sie den Stellenwert zur virtuellen Zusammenarbeit von Studierenden nach drei Jahren Projektlaufzeit ein? Wie konnten Sie Lehrende gewinnen?

Christian Stracke: Von vornherein angedacht und vorgesehen war, dass alle drei Angebote auch nach Projektende als Regelangebote in der Lehre langfristig weiterbetrieben werden. Das hat auch dazu geführt, dass die Lehrenden wesentlich interessierter waren, weil sie sicher sein konnten: das ist jetzt nicht nur eine dreijährige Versuchsphase, sondern die Angebote werden auch nach Projektende weiterhin bestehen.

Wir haben den Lehrenden umfassende Unterstützung angeboten, um Virtual Collaboration als digitale Zusammenarbeit in ihre Lehrveranstaltungen zu integrieren. Neben Einführungsveranstaltungen und individuellen Beratungen haben wir den Lehrenden, die sich bereit erklärten, als Pilotanwender*innen teilzunehmen, Unterstützung durch studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte bereitgestellt. Diese Hilfskräfte erhielten ebenso Qualifizierungsangebote, um sich mit digitaler Kleingruppenarbeit, Gruppenmoderation und Problemlösung vertraut zu machen.

Zusätzlich haben wir Workshops organisiert, in denen sich E-Tutor*innen austauschen konnten und einen offenen Kurs in unserem Learning Management System implementiert. Dieser Kurs bietet ihnen die Möglichkeit, eigene Beispiele zu präsentieren und Erfahrungen auszutauschen. Zudem gibt es drei Showrooms zu den drei interdisziplinären ViCo-Themen, in denen Lehrende aus verschiedenen Disziplinen Beispiele für die Anwendung von Virtual Collaboration finden können. Wir werden Auszüge aus den Showrooms auf unserer Webseite platzieren sowie kurze Videos, die die Möglichkeiten der einzelnen drei Themenbereiche zeigen. Zusätzlich veröffentlichen wir wissenschaftliche Publikation zu einzelnen Bereichen (Jacobs/Stracke 2024).

Sophie Domann: Können Sie etwas zu der regelmäßigen oder wiederkehrenden Nutzung von den Lehrenden berichten? Wie ist die Rückmeldung von den Lehrenden, sowohl zu den Angeboten der Begleitung als auch den Beratungen, aber auch dem wiederholten Einsatz-Szenario?

Christian Stracke: Ich habe sowohl Evaluationen mit den Studierenden der Lehrveranstaltungen durchgeführt – in der Regel sogar auch Pre- und Post-Surveys – als auch mit den Lehrenden. Bis auf eine Ausnahme, verursacht durch ein Forschungsfreisemester, sind alle Lehrenden immer dabeigeblieben. Sie haben das dann sogar noch ausgebaut. Wir haben auch alle Lehrenden angeraten, erst mal klein anzufangen mit ein, zwei, maximal drei Sitzungen innerhalb eines Semesters, um mal auszuprobieren, wie digitale Kleingruppenarbeit bei ihnen in ihrer Lehrveranstaltung zu ihrem Thema funktioniert. Aber auch, wie sie persönlich mit der Umsetzung zurechtkommen. Tatsächlich haben die Lehrenden die virtuelle Zusammenarbeit dann sukzessiv weiter ausgebaut und immer mehr Sitzungen auch mit digitaler Kleingruppenarbeit angeboten. Wir werden jetzt, auch nach Projektende, noch weiterhin solche Angebote offerieren, weil wir jetzt natürlich auch in die breite Öffentlichkeit innerhalb der Universität, aber auch außerhalb der Universität mit unserem Informationsmaterial gehen.

Sophie Domann: Das macht mich ganz neugierig. Haben Sie schon eine Zusammenfassung von den Ergebnissen der studentischen Perspektive? Kann man über alle Lehrveranstaltungen eine generalisierende Aussage treffen?

Christian Stracke: Das ist schwer zu generalisieren, denn die jeweiligen Anwendungsszenarien sind ganz unterschiedlich. Die digitale Kleingruppenarbeit in der Informatik sieht ganz anders aus als in der christlichen Archäologie und wieder ganz anders in den Wirtschaftswissenschaften. Was wir vergleichen können, sind die Entwicklungen über die Fachbereiche selbst hinweg. Wir haben in den meisten Fachbereichen drei oder sogar vier Semester, die wir miteinander vergleichen können. Wir konnten bereits feststellen, dass sich die Bewertungen der virtuellen Zusammenarbeit verbessern. Das liegt auch daran, dass die Lehrenden nun viel besser wissen, wie sie die Kleingruppenarbeit einsetzen, und ihre Aufgaben immer weiter anpassen. Durch die Erfahrungen schätzen sie auch besser die Möglichkeiten für einen sinnvollen Einsatz digitaler Kleingruppenarbeit ein.

Die Studierenden gewinnen dann dadurch ebenso mehr, nicht nur an Erfahrung, sondern auch an Sicherheit in der Kleingruppenarbeit. Denn häufig ist es so, dass Kleingruppenarbeit vor Ort kaum stattfindet, egal ob digital oder in Präsenz. Für viele Studierende ist das erst einmal lästig oder ungewohnt und es bedarf eines Heranführens. Deswegen ist es uns wichtig, insbesondere Angebote für die Erstsemester zu platzieren. Denn damit werden Studierende direkt zu Beginn ihrer Studienphasen herangeführt und lernen von vornherein die Möglichkeiten und Vorteile von digitaler Kleingruppenarbeit kennen.

Recogito Studio für Annotationen in Multimedia

JupyterHub für akademisches Rechnen und Programmieren

3D-Welten für immersives Erfahren und Entdecken

Als eigenständiges Online-Tool nach Einladung durch Lehrenden immer verfügbar

Hohe Nutzung insbesondere vor Deadlines von (Teil-) Aufgaben

Im universitätsweiten LMS als offene Lehr- und Lern-Umgebung innerhalb von Lehrveranstaltungen nutzbar

Hohe Nutzung insbesondere vor Prüfungsphasen

Nur auf speziellen Notebooks mit installierten 3D-Welten und mit immersiven Brillen nutzbar

Nur Verleih an Lehrende in (Lehr-) Veranstaltungen

Tabelle: Möglichkeiten für Studierende, die Tools für digitale Kooperationen zu nutzen

Sophie Domann: Gibt es auch Punkte in den drei Bereichen, die Sie anders geplant haben?

Christian Stracke: Anfangs dachten wir, dass die wissenschaftliche Rechen- und Programmierumgebung gut für gemeinschaftliches Programmieren geeignet sei, stellten jedoch fest, dass es besser für das Diskutieren von Programmierstrategien in kleinen Gruppen genutzt werden kann. Programmierende arbeiten oft lieber allein und moderne Tools unterstützen sie effektiv, wodurch Kleingruppenarbeit weniger hilfreich ist. Im Bereich der 3D-Welten dachten wir anfangs an verstärkte Kleingruppenaktivitäten, erhielten jedoch das Feedback, dass die 3D-Welten für viele Studierende so neu und komplex sind, dass solche Aktivitäten erst nach ein bis zwei Semestern sinnvoll integriert werden können.

Sophie Domann: Wie werden die Tools neben der Gruppenarbeit innerhalb der Lehre auch für Prüfungsleistungen eingesetzt? Und wie findet eine Bewertung der kollaborativen Leistungen statt?

Christian Stracke: Erfreulicherweise sind viele Lehrende auch dazu übergegangen, mehrere Aufgaben verteilt über das gesamte Semester statt einer einzelnen Prüfung zum Semesterende als Leistungsnachweis einzufordern. Das macht es auch für Studierende sowohl wesentlich einfacher als auch interessanter. Speziell gilt dies für die Nutzung von JupyterHub, dessen Stärke es ist, dass JupyterHub für ganz unterschiedliche kleine Aufgaben genutzt werden kann.

Und das ist eine gute Frage hinsichtlich der Beurteilung. Die meisten Lehrenden wollen tatsächlich auch noch individualisierte Bewertungen abgeben können. Deswegen ist es nicht nur inhaltlich bei Recogito Studio sinnvoll, sondern auch bei JupyterHub erwünscht, dass es deutlich wird, wer hat was geleistet. Dies ist oft eine Aufgabe der pädagogisch-didaktischen Weiterbildung, da viele Lehrende vor allem die inhaltliche Fachvermittlung und weniger gemeinschaftliche Kompetenzentwicklungen fokussieren.

Die Frage ist, wie kriege ich Studierende in Kleingruppenarbeiten motiviert, eigenständig zu arbeiten, und zwar sowohl in physikalischer Präsenz als auch insbesondere in digitalen Räumen und Tools. Dafür organisierten wir Workshops und Erfahrungsaustausche, in denen Lehrende von anderen Lehrenden lernen konnten. Diese Fachbereich-spezifischen Workshops wurden positiv aufgenommen und halfen den Teilnehmenden, praxisnahe und thematisch relevante Einblicke zu gewinnen.

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Dokumentation und Austausch zwischen Lehrenden

Sophie Domann: Welche agilen Formate für die Zusammenarbeit haben Sie im Team genutzt oder waren es eher Vorgehensweisen aus dem klassischen Projektmanagement?

Christian Stracke: Bei der Entwicklung von Recogito Studio haben wir tatsächlich agile Entwicklungen nach der Scrum-Methode realisiert. Dies erfolgte in Absprache mit den Entwickler*innen in den USA und in Österreich, die auch selber sehr stark daran interessiert waren, dass sie regelmäßig Feedback bekommen. Wir haben daher wöchentlich überprüft, ob die nächsten Entwicklungsschritte weiterhin passend sind oder welche wir neu aufnehmen sollten, oder was wir hinten anstellen.

In unserem internen ViCo-Team mit fünf wissenschaftlichen Mitarbeitenden haben wir das etwas anders gehandhabt, weil jede*r eine feste Verantwortlichkeit hatte, nämlich drei Anwendungsentwickler für die drei interdisziplinären Themen und die Entwicklung der entsprechenden Tools und Instrumente, dann die Mediendidaktikerin, und ich als Koordinator. Wir haben uns immer zu Wochenbeginn in den wöchentlichen Jour Fixe ausgetauscht und gegenseitig Feedback gegeben. Insofern war es in gewisser Weise auch agil, denn wir haben keinen Projektmanagementplan mit Meilensteinen gehabt, die wir dann einen nach dem anderen abgearbeitet hätten. Stattdessen haben wir gefordert, dass am Ende des Projektes für alle drei Themen Angebote existieren müssen, die für die Lehrenden sinnvoll sind und die nach Projektende weiter betrieben werden. Deswegen war die Abstimmung mit den Verantwortlichen innerhalb der Universität Bonn eine Hauptaufgabe. Ich habe mit den Personalräten jeweils auch die Einführung von den jeweiligen Instrumenten und Tools diskutiert, bis ich deren Zustimmung hatte. Natürlich hatte ich zuvor alle Fragen mit dem Justiziariat sowie den Beauftragten für Datenschutz, IT-Sicherheit, Gleichstellungsfragen, Schwerbehinderte und Arbeitssicherheit geklärt und abgestimmt. Wir haben für alle ViCo-Tools entsprechende Dokumentationen und rechtliche Verarbeitungsverfahren aufgesetzt und veröffentlicht.

Sophie Domann: Welche Wünsche haben Sie, vor allem im Hinblick auf die virtuelle Zusammenarbeit von Studierenden, an das ganze System Hochschule, an Rechenzentren oder auch an Unterstützungsangebote?

Christian Stracke: Neben der Entwicklung der universitätsweiten Cloud-Strategie etabliere und koordiniere ich am wissenschaftlichen Hochschulrechenzentrum der Universität Bonn wieder die Forschung mit den beiden Schwerpunkten Künstliche Intelligenz (KI) und Open Education für innovative Bildungsangebote für alle. Und dazu möchte ich gerne in den nächsten Jahren ein wissenschaftliches Research Lab aufbauen und erweitern.

Grundsätzlich möchte ich sagen, sind wir gerade in Deutschland sehr weit hinterher bei der Bereitstellung von öffentlicher Infrastruktur und insbesondere von öffentlicher digitaler Infrastruktur. Wir machen uns zurzeit teilweise stark abhängig von privaten Anbietern und Hyperscalern und das ist eine Gefahr für Hochschulen und für die Bildung insgesamt.

Wir an der Universität Bonn folgen zum Glück noch einen anderen Kurs als viele andere Universitäten. Wir haben fast alles noch hier on-premises als eigenständige IT-Angebote und Dienste, die wir selbst hosten, so dass wir auch noch die Kontrolle darüber haben. Aber generell müsste viel mehr getan werden, um solche Angebote wie die digitale Kleingruppenarbeit von ViCo noch stärker in der Aus- und Weiterbildung im bundesweiten als auch im weltweiten Zusammenhang zu ermöglichen. Und deswegen bin ich beim Council of Europe, also beim Europarat, aktiv. Der Council of Europe hat eine Expertengruppe gegründet und mich als deutschsprachiges Mitglied dort ernannt. Aktuell erstellen wir gerade die neue zukünftige europäische Gesetzgebung zum Themenkomplex „Künstliche Intelligenz und Bildung“ als Ergänzung zum AI Act. Darin klären wir, wie Rahmenbedingungen geschaffen sein müssen, damit in der Bildung Künstliche Intelligenz genutzt werden kann und was dabei zulässig und was verboten sein sollte. Der AI Act der Europäischen Kommission ist ein erster Schritt, aber es fehlt noch spezifische Regulierung für den Bildungsbereich.

Zusätzlich arbeite ich seit zwei Jahren an dem weltweiten UNESCO Unitwin Network on Open Education, kurz „UNOE“, zusammen mit 15 weiteren ICDE- und UNESCO-Chairs, um Bildung global zu fördern. Unser Netzwerk, das im Juni 2024 von der UNESCO offiziell anerkannt wurde, umfasst 16 Partner weltweit und fokussiert sich auf Open Education als offene Bildung für alle mit den vier Schwerpunkten Community Building, Forschung, kostenlose Bildungsangebote und Open-Source-Software.

Was wir dafür benötigen, ist eine entsprechende weltweite Infrastruktur, die unabhängig von privatwirtschaftlichen Interessen die gesellschaftlichen Vorteile in den Blick nimmt. Denn wir wollen ja zukünftig Gesellschaften stärken und ausbilden und nicht irgendwelchen Profit generieren. Wir müssen sicherstellen, dass Bildung unabhängig von kommerziellen Interessen auch unsere Gesellschaft stärkt und unterstützt und das am besten mit öffentlicher Infrastruktur.

Herzlichen Dank für das Gespräch und das schöne Plädoyer zum Abschluss von der virtuellen Zusammenarbeit in Bonn bis hin zur weltweiten Bildung für alle!

Das Interview führte Sophie Domann für das Verbundprojekt Co³Learn.

Autorenprofil

Dr. Christian M. Stracke hat interdisziplinäre Expertise in weltweiter Forschung, Bildung und Management als verantwortlicher Leiter von internationalen Großprojekten aufgebaut und veröffentlichte über 200 Publikationen in seinen Hauptforschungsfeldern: Open Education, Künstliche Intelligenz, digitales Lehren und Lernen, Kompetenzentwicklung, Impact-Messung & Richtlinien in der Bildung (https://orcid.org/0000-0001-9656-8298).

Er berät internationale Ministerien und Bildungseinrichtungen und weltweite Organisationen einschließlich UNESCO, den Europarat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament. Als Mitglied der europäischen AI&ED Expert Group, die vom Europarat ausgewählt und ernannt wurde, arbeitet er an der zukünftigen Gesetzgebung zu KI und Bildung.

Christian M. Stracke ist Koordinator für die Cloud-Strategie an der Exzellenzuniversität Bonn und etabliert ein Forschungslabor am wissenschaftlichen Hochschulrechenzentrum. Er hat Erziehungswissenschaften studiert (M.A.) und in Wirtschaftswissenschaften und Informatik promoviert. Er ist Mitbegründer des UNESCO Unitwin Network on Open Education (UNOE) sowie Professor an der East China Normal University in Shanghai und der Korean National Open University in Seoul.

Seine Webseite: http://www.opening-up.education

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