Interview mit Julia Rupprecht
Julia Rupprecht arbeitete als Koordinatorin im Verbundprojekt QUADIS und berichtet im Interview über ihre Erfahrungen in der Koordination mit verschiedenen Methoden und Formaten der Zusammenarbeit. Dieses Verbundprojekt agierte bayernweit und hat die hochschuldidaktische Weiterbildung auf einem hohen Qualitätsniveau digitalisiert und flexibilisiert. QUADIS umfasste 15 Projektpartner und bestand aus drei Säulen:
Die erste Säule war die Entwicklung von Open Educational Resources (OER):
Die zweite Säule war die Intensivierung des Diskurses zu Themen der digitalisierten Hochschullehre: QUADIS organisierte Symposien in unterschiedlichen Formaten (digital, hybrid und in besonderen Veranstaltungsorten) und etablierte Fach- und Arbeitsgruppen.
Die dritte Säule bildeten die sogenannten Lehrwerkstätten:
Sophie: Wie hast du diese drei Säulen in deiner Arbeit als Koordinatorin verbunden?
Julia: Meine Stelle war beim Universität Bayern e.V. angesiedelt, was die bayerische Universitätenkonferenz ist. Im Verbundprojekt fungierte ich als Schnittstelle zwischen verschiedenen hochschuldidaktischen Netzwerken in Bayern. Dazu gehörten ProfiLehrePlus (PLP) – das Netzwerk der hochschuldidaktischen Einrichtungen der bayerischen Universitäten, BayZiel – Bayerisches Zentrum für Innovative Lehre und die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb), die verantwortlich für die Verbreitung und das Hosting unserer OER-Materialien war.
Als eines der größten Projekte, das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert wurde, war eine zentrale Koordination zwingend erforderlich. Meine Aufgabe war die Planung, Koordination und Dokumentation aller Projektprozesse, um eine reibungslose Zusammenarbeit und Zielerreichung sicherzustellen. Außerdem habe ich die Standorte bei der Bewältigung von Herausforderungen unterstützt, um das Projekt erfolgreich zu steuern.
Sophie: Welche Grundlage und Werte gab es für die Zusammenarbeit dieser vielen Standorte und aus diesen großen Bereichen?
Julia: Wir können glücklicherweise sagen, dass das Verbundprojekt QUADIS auf einer länger bestehenden Kooperation aufgesetzt hat. ProfiLehrePlus (PLP) kooperierte bereits vor diesem Projekt mit dem damaligen Didaktikzentrum Bayern – jetzt Teil des BayZiel.
Es bestanden also schon langjährig gefestigte, sehr gute Verbindungen und uns einte dieses gemeinsame Ziel: Hochschullehre an unseren Standorten gemeinsam weiterzuentwickeln. Da wir auf dieser guten Verbindung aufbauen konnten, war kollegiale, sehr lösungsorientierte Zusammenarbeit etwas, das uns schon vorher geeint hat. Zusätzlich haben wir uns gefragt, was zeitgemäße Lehre erfordert. Deswegen war QUADIS ein Verbundprojekt, was in dieser Form sogar noch vor der Corona-Pandemie beantragt wurde. Es war keine Reaktion auf Corona, sondern im Gegenteil – weil wir diese starke Zukunftsorientierung hatten, war klar: Digitalität ist das beherrschende Thema in den nächsten Jahren.
Sophie: Kannst du bitte zwei Formen oder Formate eurer Zusammenarbeit vorstellen, von denen du sagst, dass diese in deiner Laufbahn als Koordinatorin richtig gut funktioniert haben? Mit welchen Tools habt ihr dabei gearbeitet?
Julia: Unsere Hauptkommunikation lief asynchron über das Tool Mattermost des Hochschulforums Digitalisierung (HFD) in thematisch strukturierten Kanälen. Für verschiedene Arbeitsgruppen und Medienproduktion haben wir uns täglich dort ausgetauscht und konnten auch auf frühere Chats und Dokumente zugreifen. Mattermost bot zudem eine Anbindung an die größere Hochschuldidaktik-Community.
Was sich für uns bewährt hatte, war das Arbeiten in Sub-Teams, die bei Bedarf eigene Meetings organisieren. Beispielsweise beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Solche Gruppen bearbeiteten eigenverantwortlich verschiedene Projektprozesse. Jede Gruppe hatte eine*n Hauptansprechpartner*in, der*die die Organisation übernahm und Informationen im wöchentlichen Jour Fixe weitergab. Diese Struktur bewährte sich ebenfalls, da aufgrund der großen Anzahl von 20-25 Mitarbeitenden nicht jede*r überall dabei sein konnte. Es gab an jedem Standort eine Stelle für didaktische Mitarbeiter*innen und standportspezifisch noch Zusatzrollen, wie zum Beispiel Medienproduktion oder die Expertin für Barrierefreiheit.
Auch wenn unsere digitale Zusammenarbeit gut verlief, waren Präsenztreffen essenziell. Wir haben ein- bis zweimal pro Jahr Mitarbeitenden-Konferenzen mit den QUADIS-Mitarbeiter*innen durchgeführt, um die inhaltliche Programmatik zu besprechen, Blended Learning Seminare zu planen und unsere Fortschritte zu bewerten. Diese zweitägigen Treffen beinhalteten auch Teambuilding-Maßnahmen, um die Zusammenarbeit zu verbessern und zukünftige Schritte zu planen.
Zusätzlich gab es Konferenzen für die Arbeitsverantwortlichen – die Leitungen der hochschuldidaktischen Einrichtungen. Diese Gruppe hat strategische Themen und die Positionierung des Verbunds besprochen. Zusammengefasst: Mitarbeitenden-Konferenzen fokussierten sich auf operative und inhaltliche Themen, während Arbeitsverantwortlichen-Konferenzen die strategische Ausrichtung behandelten.
Sophie: Welche Tools nutzt ihr neben Mattermost noch für die Zusammenarbeit?
Julia: Mattermost als Kommunikationsplattform hat sich durch die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen damals als beste Möglichkeit erwiesen. Wir nutzten noch Zoom für synchrone Meetings, Trados für die Übersetzung, Unipark für die Evaluation und CryptPads (ähnlich Etherpads mit eigener Verschlüsselung) für jegliche Form von kollaborativen Schreibprozessen, bei denen schnell in Sub-Teams agiert werden musste.
Die Kooperation der meisten Projektpartner war vorher zwar schon langjährig etabliert, jedoch eher auf den Austausch der Leitungsebene und ähnliche Themen bezogen. Im Projekt gab es nun viel stärker operatives Tagesgeschäft. Dafür mussten wir uns im Verbund auch Tools für die tägliche Zusammenarbeit geben, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass jeder an seinem eigenen Standort bleibt und schaut, wie er die eigenen Probleme vor Ort löst.
Wir haben so stark von diesem Austausch profitiert, insbesondere in der Qualitätssicherung, weil wir uns gegenseitig auch reviewt haben. Zum Beispiel hatten wir ein Critical–Friends-Verfahren, wofür wir diese Nähe in der Zusammenarbeit benötigt haben. Das wäre ohne die neuen Tools in der Form nicht möglich gewesen.
Sophie: Was habt ihr genau in diesem Critical–Friends-Verfahren umgesetzt?
Julia: Für die Produktion von Blended-Learning-Seminaren im OER-Format haben wir klare (didaktische, strukturelle und mediale) Qualitätsstandards definiert und in einer Handreichung zusammengefasst. Um sicherzustellen, dass diese Standards in den Produkten auch umgesetzt werden, hat jede*r Autor*in eines Seminars eng mit drei hochschuldidaktischen Mitarbeitenden von anderen Standorten zusammengearbeitet, die als Critical Friends fungierten. In regelmäßigen Meetings wurden die Materialien überprüft, diskutiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Diese Zusammenarbeit hat nicht nur die Qualität der Seminare gefördert, sondern auch den Mitarbeitenden wertvolle Lernerfahrungen für ihre eigenen Arbeitsprozesse ermöglicht. Die Erkenntnisse aus diesen Meetings flossen in die Erarbeitung zukünftiger Seminare ein.
Sophie: Welche Prozesse und Arbeitspakete habt ihr im Projektverlauf anpassen müssen und wie lief das ab?
Julia: Bei den Blended Learning Seminaren stellte sich anfangs heraus, dass der Produktionsprozess zu strikt vorgegeben war. Es gab einen festen Zyklus, in dem alle Seminare gleichzeitig starten und fertiggestellt werden sollten. Aufgrund der unterschiedlichen Themen und Formate variierte jedoch die Produktionsgeschwindigkeit erheblich. Dies führte zu Wartezeiten für einige Mitarbeitende, während andere schneller vorankamen, was zeitliche Spannungen verursachte. Auch unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheitsfälle konnten den gesamten Zeitplan beeinträchtigen, da alle Seminare gleichzeitig veröffentlicht werden sollten.
Deshalb war es entscheidend, den Produktionsprozess flexibler zu gestalten. Die Autor*innen und die Medienproduktion schätzten den Arbeitsaufwand für jedes Seminar ab, basierend auf Inhalt und Medienformat (z.B. Video, Podcast, Präsentationen), und legten individuelle Veröffentlichungsdaten fest. Anstelle eines einzigen großen Launchs gab es regelmäßige Uploads alle sechs Wochen. Diese Flexibilisierung wurde von allen Beteiligten als wesentlicher Gewinn für ihre Arbeitsabläufe empfunden.
Eine weitere, typische Herausforderung war die Rekrutierung von Teilnehmenden für Lehrwerkstätten nach der Corona-Pandemie, wobei einige Werkstätten aufgrund geringer Teilnehmendenzahlen nicht durchgeführt werden konnten. Um dennoch genügend Daten für die Evaluation zu erhalten, war ein erheblicher Aufwand in den Bereichen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich, damit ausreichend Teilnehmende gewonnen werden konnten. Dies unterstreicht die essenzielle Rolle einer effektiven Marketingstrategie für den Erfolg von Verbundprojekten in den jeweiligen Institutionen.
Aufgrund der strukturellen Unterschiedlichkeit der Institutionen hatten es manche Standorte schwerer oder leichter, Teilnehmende zu generieren. Standorte, bei denen es etwas schwieriger war, haben bei den Lehrwerkstätten in einem neuen Format zusammengearbeitet. Dieses Format war die sogenannte “Upgrade Lehrwerkstatt”, die kollaborativ und standortübergreifend durchgeführt wurde. So reagierten wir auf der Ebene der Ausschreibung und Konzeption auf die veränderte Situation, während wir im Bereich der Evaluation zusätzlich zu unseren Fragebögen auch noch teilstandardisierte Interviews führten.
Sophie: Was wünscht du dir für die Inhalte und die Projektergebnisse nach Ende dieses Verbundprojekts?
Julia: Ich wünsche mir eine große Nachhaltigkeit für die Projektergebnisse. Die OER-Materialien bleiben dauerhaft bei unserem Projektpartner, der Virtuellen Hochschule Bayern, verfügbar (ohne Login abrufbar). Dementsprechend wünschen wir uns, dass hochschuldidaktische Einrichtungen, hochschuldidaktische Trainer*innen und auch Lehrpersonen diese (deutsch- und englischsprachigen) OER-Materialien nutzen. Uns ist sehr wichtig, dass es nicht zu einem verstaubten Repository wird, was keine*r mehr aktiv nutzt. Dafür sind die Materialien ganz anders angelegt: sie sind nutzerfreundlich und haben einen klaren Anwendungsbezug. Dementsprechend hoffen wir, dass die genannten Zielgruppen sie langfristig verwenden wollen. Dafür haben wir sehr viel Werbung und Vernetzungsinitiativen durchgeführt.
Wir stellen unsere Ergebnisse auch auf unserer Webseite zur Verfügung. Dort kann man die Ergebnisse der Fach- und Arbeitsgruppen einsehen, man kann die Dokumentation unserer Symposien als Diskursformate einsehen. Das gleiche gilt auch für die dritte Säule: Wir haben unsere Lehrwerkstätten ausgewertet und in einem Beitrag zusammengefasst. Wenn jemand ein digitales Beratungsformat für die Lehre vorbereitet, kann er oder sie sich dort Anregungen holen
Sophie: Was möchtest du den Leser*innen noch zur Zusammenarbeit in einem großen, qualitätsgesicherten Projekt mitgeben?
Julia: Die Basis von allem ist Vertrauen und eine sehr transparente, kollegiale Zusammenarbeit. Ansonsten wäre es für die Beteiligten vermutlich sehr leicht, sich auf den eigenen Standort zurückzuziehen und zu sagen: „Wir machen das selber bei uns vor Ort“ – und aus der Kooperation mit den Verbundpartnern rauszugehen. Insbesondere aus Sicht der Koordination: Bei einer so hohen Transparenz und Serviceorientierung gleichzeitig darauf zu achten, dass man keine unverständlichen Doppelstrukturen schafft. Dass sowohl im Data Management als auch in der Kommunikation und Governance klar ist, wie das Projekt organisiert ist, wie man zusammenarbeiten will, wo man Daten findet und wie man miteinander kommuniziert. Und weil in so einem großen Verbundprojekt viele Daten anfallen: ein sauberes und gutes Datenmanagement, damit man einen gemeinsamen Bezug hat. Das sind die Punkte aus der Perspektive als Koordinatorin in den Bereichen Verbund und Verbundzusammenarbeit, die für mich besonders wichtig sind.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Verbundprojektes Co³Learn der Technischen Universität Braunschweig, Georg-August-Universität Göttingen und Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Laufzeit 01.08.2021 – 31.12.2025). Das Ziel des Projektes ist es, die universitäre Lehre mit digitalen Tools (Programme, Apps) für die Kommunikation, Kooperation und Kollaboration in Studium und Lehre zu unterstützen.
Die hier besprochenen Tools Mattermost, Unipark, Trados, Zoom und CryptPad wurden in Eigenverantwortung der Autor:innen eingesetzt. Das Verbundprojekt Co³Learn hat hier keine datenschutzrechtliche Prüfung veranlasst. (Stand 06-2024)
Julia Rupprecht (M.A.) war von 02/2023 bis 07/2024 zentrale Koordinatorin des Verbundprojekts QUADIS von ProfiLehrePlus (PLP), BayZiel und Virtueller Hochschule Bayern (vhb). Zuvor war sie von 05/2016 bis 12/2022 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Hochschuldidaktik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (PROFiL, Professionell in der Lehre) tätig. Daneben arbeitet sie seit vielen Jahren selbständig als Trainerin, Coach und Speaker mit den Schwerpunkten Rhetorik, Wissenschaftskommunikation und Didaktik.
DAS VERBUNDPROJEKT
CO3LEARN
TECHNISCHE UNIVERSITÄT BRAUNSCHWEIG
GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ UNIVERSITÄT HANNOVER
GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT GÖTTINGEN
Das Projekt Co3Learn wird gefördert aus Mitteln der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.
Projektlaufzeit: 01.08.2021 – 31.12.2025 mit bewilligten Fördermitteln von
4.760.895,51 Euro.
Universitätsplatz 2
38106 Braunschweig
Welfengarten 1
30167 Hannover
Wilhelmsplatz 1 (Aula)
37073 Göttingen
© Copyright Co3Learn, created with Royal Elementor Addons and Elementor