von Kristin Siemon
Für das Wintersemester 2021 schrieb ich mich für den Zwei-Fächer-Bachelor in den Fächern Germanistik und Geschlechterforschung an der Universität Göttingen ein. Ich zog nach Göttingen, machte mich mit dem Campus vertraut, entdeckte Kneipen und Restaurants. Das alles passierte innerhalb weniger Wochen. Wäre diese Zeit nicht schon aufregend genug, wurde sie für mich noch aufregender, weil sich diese Wochen mitten in der Pandemie abspielten.
Nachdem ich meine Erstsemester-Orientierungsphase und einige Informations- und Einführungsveranstaltungen erfolgreich in Präsenz hinter mich gebracht hatte, verbreitete sich Corona wieder verstärkt. Meine ersten richtigen Vorlesungen und Seminare verbrachte ich in Jogginghose vor meinem Laptop. Das war erstmal eine romantische Vorstellung: gemütlich ein paar Sätze ins Mikrofon plaudern, die Kamera wegen irgendeiner Ausrede nicht einschalten und die restliche Zeit des Seminars in irgendwelchen sozialen Netzwerken vertrödeln.
Im Laufe der Zeit fehlten mir aber eindeutig die sozialen Kontakte. Das merkte ich daran, dass ich mich nicht direkt mit anderen Student*innen über diese aufregende Zeit austauschen konnte. Denn genau jetzt war doch eigentlich die Lebensphase, um eben genau diese Kontakte zu knüpfen. Das Studentenleben hatte ich mir irgendwie lebendiger vorgestellt, die Realität sah jedoch anders aus: Wir Studierenden fanden uns in einer seltsam abstrakten Welt wieder, in der unsere Kommiliton*innen in kleinen Kacheln dargestellt wurden und die Stimmen durch Lautsprecher klirrten. Was im Seminarraum spontane Diskussionen und angeregte Gespräche hätten sein können, waren jetzt zeitverzögerte Antworten und Stummschaltungen. Für die meisten Menschen stellte diese neue Art der Lehre und des Lernens eine Herausforderung oder gar Belastung dar: Wir waren anonym. Für mich war diese Situation zum Glück nur anfänglich ein Problem, denn ich gewöhnte mich schnell daran. Da ich mit meiner besten Freundin in einer Wohngemeinschaft lebte, kehrte bei mir auch nie das Gefühl der Einsamkeit ein.
In dieser scheinbar distanzierten Sphäre der Digitalität wurde meiner Meinung nach aber ein erstaunlicher Wandel sichtbar. Die Studierenden lernten, sich auf anderen Ebenen zu vernetzen, sich gegenseitig zu unterstützen und ihre Zusammenarbeit in einer Weise zu gestalten, die über physische Grenzen hinwegging. Die virtuelle Welt eröffnete Räume für Zusammenarbeit, die in der analogen Welt kaum denkbar gewesen wären. Studierende aus unterschiedlichen Teilen des Landes oder sogar der Welt konnten sich ohne die Hindernisse von Entfernungen und Reisebeschränkungen miteinander austauschen. Für einige der Studierenden war die digitale Lehre vorteilhaft, weil sie teilweise noch keine Wohnung in Göttingen gefunden hatten und trotzdem problemlos an den Veranstaltungen teilnehmen konnten. Die zeitliche Flexibilität des Online-Lernens ermöglichte es außerdem, Gruppenprojekte zu gestalten, die beispielsweise verschiedene Zeitzonen berücksichtigten.
Trotzdem blieben Herausforderungen natürlich nicht aus: Virtuelle Zusammenarbeit verlangt eine eindeutige und klare Kommunikation. Missverständnisse, die in einem direkten Gespräch vielleicht nicht aufgetreten wären, werden durch die Bildschirme verstärkt. Die teilweise fehlende nonverbale Kommunikation machte es schwieriger, Meinungsverschiedenheiten zu erfassen. Die digitale Lehre erforderte also Anpassung und Geduld von allen Beteiligten. Mit den richtigen Ansätzen konnte sie aber effektiv gestaltet werden. Das durfte ich zum Glück auch in einigen meiner Seminare erleben. Manche Dozent*innen gaben sich mehr Mühe, die Seminare auf besonderem Wege interaktiv zu gestalten. Meiner Meinung nach sind für eine erfolgreiche digitale Lehre vor allem folgende Punkte wichtig: eine klare Kommunikation, interaktive Plattformen, abwechslungsreiche Materialien, regelmäßige Rückmeldungen und Gruppenarbeiten. Auch wenn Gruppenarbeiten bei vielen Student*innen eher unbeliebt sind, waren sie während der Corona-Pandemie umso wichtiger. Zusammenarbeit im Studium führt zwangsläufig dazu, Menschen kennenzulernen. Und weil Möglichkeiten zum Kontakteknüpfen außerhalb der eigenen vier Wände beschränkt waren, stellten Gruppenarbeiten eine Chance dar, andere Studierende (zumindest virtuell) zu treffen.
Die Erfahrungen mit der Zusammenarbeit im Studium variieren womöglich je nach Person, Studiengang, Projekt und den Gruppenmitgliedern. Zu den negativen Erfahrungen, die man mit Gruppenarbeit machen kann, zählt definitiv eine ungleiche Arbeitsteilung. Es kann vorkommen, dass nicht alle Gruppenmitglieder gleichermaßen etwas zur Arbeit beitragen. Das kann zu Frustration führen, wenn einige Mitglieder das Gefühl haben, dass sie mehr Verantwortung tragen als die anderen. Des Weiteren sind Kommunikationsprobleme oft ein Hindernis für eine gute Zusammenarbeit. Uneffektive Kommunikation kann zu Missverständnissen, Verwirrung und Konflikten führen. Klare Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg der Zusammenarbeit. Außerdem treten in Gruppenarbeiten auch mal Zeitprobleme auf und die Koordination der Zeitpläne aller Gruppenmitglieder kann eine Herausforderung sein, insbesondere wenn sie unterschiedliche Verpflichtungen haben. Zudem kann es bei der Zusammenarbeit zwischen Studierenden zu kreativen Differenzen kommen. Schließlich kann es auch Konflikte mit sich bringen, wenn einige Mitglieder nicht die erwartete Menge an Arbeit leisten und sich auf die Anstrengungen der anderen Gruppenmitglieder verlassen.
All diese Probleme und Konflikte sind mir aus der Schulzeit auf jeden Fall noch in Erinnerung geblieben. Seitdem ich studiere, habe ich mit der Zusammenarbeit zum Glück aber eher positive Erfahrungen gemacht. Das liegt nicht nur an mir selbst, sondern hängt auch von den anderen Gruppenmitgliedern ab. Vor allem in meinem Studiengang Geschlechterforschung kann man sich fast immer sicher sein, dass einem mit Respekt begegnet wird – und das ist eine wichtige Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit!
Ich erinnere mich immer noch gerne an ein Seminar in der Geschlechterforschung: Mit einigen anderen Student*innen sollte ich ein Referat für eine der Sitzungen vorbereiten. Wir trafen uns insgesamt dreimal digital. Ich hatte mich mittlerweile schon so gut mit den technischen Gegebenheiten vertraut gemacht, dass ich die Zoom-Meetings erstellen und die anderen dazu einladen konnte. Durch verschiedene Programme konnten wir eine ansehnliche Präsentation gestalten, die am Ende auch sehr gut bei den anderen Seminarteilnehmer*innen ankam, weil wir diese auch aktiv miteinbezogen haben. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich eine gute und engagierte Gruppe erwischt hatte, aber in den anderen Gruppen funktionierte die Zusammenarbeit wohl weniger gut. Meine Gruppenarbeit habe ich hingegen nicht nur als sehr kooperativ und interessant in Erinnerung. Vielmehr war es ein Erfahrungsaustausch. Die Personen aus meiner Gruppe erzählten von ihren Erlebnissen mit digitaler Lehre, mit ihrem Umgang mit den neuen technischen Herausforderungen und auch Möglichkeiten. Wir kamen in einen Austausch über die Gesamtsituation, erzählten von uns und lernten uns kennen. Ich glaube, dass es in solchen Situationen einfach wichtig ist, offen zu sein. Besonders hilft es, den Mut zu fassen und die Kamera anzuschalten. In kleineren Gruppen fällt das auch leichter als in größeren Seminarrunden.
Mir tat diese Gruppenarbeit wirklich gut: Endlich waren da Menschen, die mich verstehen konnten und die ich verstehen konnte. Nachdem wir die reine Projektarbeit hinter uns gebracht hatten, saßen wir noch oft vor unseren Bildschirmen und haben geplaudert. Ich habe also durchweg positive Erfahrungen mit der Zusammenarbeit gemacht, an die ich mich noch gerne erinnere. Die Gruppenarbeit ermöglichte es mir, verschiedene Perspektiven und Ideen zu einem Thema kennenzulernen, was mir auch beim Verständnis des Materials half. Generell haben wir uns gegenseitig immer unterstützt, was auch ein Gefühl der Zugehörigkeit bei mir auslöste. Hätten wir die Themen gemeinsam im Seminar bearbeitet, wäre es wahrscheinlich auch weniger vergnüglich gewesen. Die gemeinsame Arbeit in der Kleingruppe machte das Lernen somit angenehmer. Und der beste Effekt einer Zusammenarbeit ist, wenn man (ohne es zu merken) neue Fähigkeiten entwickelt. Teamfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeiten und ein verbessertes Zeitmanagement.
Damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelingt, sollten – vor allem bei digitaler Zusammenarbeit – einige Aspekte beachtet werden: Wichtig ist deutliche Kommunikation. Alle Mitglieder der Gruppe sollten verstehen, was von ihnen erwartet wird. Es sollte klar über Fortschritte, Probleme und Ideen kommuniziert werden. Außerdem ist es wichtig, frühzeitig zu besprechen, wer welche Arbeiten übernimmt und ob alle mit ihrer Aufgabe einverstanden sind. Gutes Zeitmanagement ist die halbe Arbeit. Gemeinsam können Arbeitsschritte und Fristen gesetzt werden, um sicherzustellen, dass das Projekt rechtzeitig fertiggestellt wird. Gibt es Meinungsverschiedenheiten, sollten diese besprochen und Lösungen gefunden werden. Sich gegenseitig konstruktives Feedback zu geben, kann die Zusammenarbeit und die Qualität der Arbeit verbessern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Ehrlichkeit und Verlässlichkeit. Absprachen sollten eingehalten werden. Dabei ist es wichtig, auch ehrlich mit sich selbst zu sein. Man kann sich nur so viel vornehmen, wie man auch schafft. Und meiner Meinung nach ein kleiner aber entscheidender Punkt: Die Kamera anschalten! Dadurch dass man sich nicht nur hört, sondern auch Gestik und Mimik mitverfolgen kann, kann Missverständnissen vorgebeugt werden. Insgesamt kann die Zusammenarbeit im Studium eine wertvolle Erfahrung sein, die sowohl das Lernen als auch die persönliche Entwicklung fördert. Kommunikation und Organisation müssen dafür aber funktionieren.
Die Pandemie mag uns Studienanfänger*innen des Jahres 2021 physisch voneinander getrennt haben, doch in dieser Isolation lernten wir neue Formen von Gemeinschaft kennen. Meine Erfahrungen mit Zusammenarbeit waren geprägt von Herausforderungen, Innovationen und der Erkenntnis, dass wahre Verbundenheit nicht durch räumliche Nähe, sondern durch den gemeinsamen Wunsch nach Wissen und Wachstum entsteht. Ich erinnere mich trotz eines holprigen Starts in mein Studentinnenleben positiv an diese Zeit zurück. Wenn man räumlich voneinander getrennt ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass man alleine ist. Ich habe also nicht nur sehr schöne Erfahrungen mit der Zusammenarbeit im Studium gemacht, sondern auch Kontakte geknüpft, obwohl das während einer Pandemie gar nicht so einfach ist. Die Fähigkeiten, die Studierende während dieser Zeit entwickelten, werden in vielen Bereichen ihres zukünftigen Lebens von Nutzen sein. Ohne diese technischen Möglichkeiten hätte ich mir nicht vorstellen können, wie ich andere Mitstudierende kennenlernen soll.
Ob es auch ohne eine Pandemie so viele Team-Arbeiten in Präsenz stattgefunden hätten, weiß ich nicht. Aber mir haben diese zahlreichen Gruppenarbeiten in Zoom-Konferenzen definitiv geholfen, nicht zu vereinsamen, auch digital Verbindungen zu Menschen aufzubauen, den Spaß an meinem noch frischen Studium nicht zu verlieren und auch Fähigkeiten für kommende Gruppenarbeiten mitzunehmen. Mit einigen Menschen aus diesen Gruppenarbeiten stehe ich auch immer noch in Kontakt. Es hat sich also gelohnt, den Mut nicht zu verlieren und das Beste aus dieser merkwürdigen Situation rauszuholen. Vielleicht ist das ja auch eine tolle Lektion fürs Leben: Wenn man erstmal die Hürden der digitalen Zusammenarbeit gemeinsam genommen hat, können die entstanden Beziehungen auch problemlos in die ‚echte‘ Welt übertragen werden!
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