Interview mit Dr. Marie Ritter und M. Sc. Darien Tartler
„Im Idealfall gehst du energetisiert und glücklich aus einem Meeting heraus.“
Dr. Marie Ritter
Meetings sind ein unverzichtbarer Bestandteil der beruflichen und akademischen Zusammenarbeit – von Lehrplänen und Forschungsprojekten bis hin zu interdisziplinären Kooperationen. Doch wie oft verlassen Teilnehmende ein Meeting mit der Frage, ob dieses wirklich notwendig war? Oder ob der zeitliche Aufwand dem Nutzen entsprach? In der heutigen Arbeitswelt – geprägt von digitalen Tools und hybriden Formaten – wird die Kunst des effizienten Meetings immer wichtiger. Die Expert*innen Dr. Marie Ritter und M. Sc. Darien Tartler teilen in einem Interview ihre Perspektiven auf die Gestaltung wirkungsvoller Besprechungen in der Hochschullehre und zeigen, wie digitale Tools die Zusammenarbeit nachhaltig verbessern können.
In einem Workshop haben die beiden Wissenschaftler*innen ihr Know-How für die virtuelle Teamarbeit vermittelt. Wie das konkret aussehen kann erzählt Dr. Marie Ritter. Für die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie an der TU Braunschweig beginnt ein erfolgreiches Meeting lange vor dem eigentlichen Termin. „Ein Meeting sollte gut durchdacht sein, bevor es beginnt. Es braucht klare Ziele und eine Agenda, die den roten Faden vorgibt“, erklärt sie. Diese Vorbereitung sei essenziell, um sicherzustellen, dass die Diskussion zielgerichtet bleibt und alle Beteiligten wissen, was von ihnen erwartet wird. Anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse gab es in ihrem Workshop für alle Teilnehmenden spannende Tipps, die sogenannten Meeting-Hacks.
Beiden Wissenschaftler*innen ist wichtig, dass man Meetings nicht einfach nur über sich ergehen lässt, sondern dass man sich aktiv einbringt, sowohl bei der Gestaltung wie auch beim Inhalt. Darien Tartler, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeits- und Organisationspsychologie, formuliert das so: „Wir nutzen das Konzept des Meeting-Crafting, bei dem Meetings wie ein Produkt gestaltet werden – mit viel Aufmerksamkeit für Details.“ Hier geht es weniger um einen speziellen Tipp – also Hack – sondern vielmehr um ein grundlegendes Prinzip. Das bedeutet, dass jedes Meeting so gestaltet wird, dass es den Bedürfnissen der Teilnehmenden entspricht. Tartler nennt als Beispiel die bewusste Auswahl von Methoden zur Entscheidungsfindung: „Manchmal braucht es eine Abstimmung, manchmal eine offene Diskussion. Das sollte im Vorfeld festgelegt werden.“ Über die Gestaltung von Meetings zu reden und sie selbst zu gestalten, führt zu mehr Arbeitszufriedenheit, Motivation und gesteigerter Leistung.
Beide Expert*innen sind sich einig: So wichtig digitale Tools auch sind, sie stehen nicht an erster Stelle. „Der Mensch und die Aufgabe stehen immer vor dem Tool“, betont Ritter. Ein Tool könne nur so gut sein wie die Menschen, die es nutzen. Tartler ergänzt: „Wenn Menschen sich in ein Meeting eingebunden fühlen, wird es produktiver. Das gelingt, indem sie aktiv einbezogen werden – sei es durch die Vergabe von Rollen oder durch kollaborative Tools wie gemeinsame Whiteboards.“
Ein Beispiel für diese Philosophie ist die Nutzung von digitalen Whiteboard-Tools, die sich insbesondere in der Hochschullehre bewährt haben. Sie ermöglichen es, Gedanken und Ideen visuell darzustellen, was gerade in komplexen Diskussionen hilfreich ist. „Wenn alle auf ein gemeinsames Whiteboard schauen können, wird das Verständnis erleichtert und Missverständnisse werden schneller ausgeräumt“, so Dr. Marie Ritter.
Digitale Tools bieten zweifellos viele Vorteile – aber ihre Einführung bringt auch Herausforderungen mit sich. Die Wissenschaftlerin hebt hervor, dass der Umgang mit Tools wie Microsoft Teams, Zoom oder Padlet nicht nur technische Kenntnisse erfordert, sondern auch ein Umdenken in der Meeting-Kultur. „Die Fähigkeit, digitale Tools gezielt und kreativ einzusetzen, ist heute essenziell“, betont sie.
Darien Tartler beschreibt ein Beispiel aus der Praxis: „In einem hybriden Meeting haben wir mit Studierenden gearbeitet, die vor Ort und online teilgenommen haben. Mit Hilfe eines digitalen Whiteboards konnten beide Gruppen gleichberechtigt interagieren. Das war nur möglich, weil die Technik und die Didaktik aufeinander abgestimmt waren.“ Solche Szenarien verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass Hochschulen sowohl die technische Infrastruktur bereitstellen als auch Schulungen für Lehrende und Studierende anbieten.
Meetings laufen nicht immer reibungslos – manchmal verliert sich die Energie im Raum oder die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden schwindet. Wie kann man in solchen Momenten reagieren? Darien Tartler bringt es auf den Punkt: „Die Leute wortwörtlich ‚mit ins Boot holen‘ trifft den Punkt sehr gut. In der Moderator*innen-Rolle fühlt man sich oft etwas hilflos und fragt sich, warum es gerade nicht richtig läuft. Die Antwort darauf kann jedoch oft am besten das Team selbst geben.“ Tartler betont, wie wichtig es ist, den Austausch zu suchen und gemeinsam zu reflektieren, wo das Problem liegen könnte. Eine kurze Reflexion – ob im Team oder in Einzelgesprächen – kann oft den Schlüssel zur Lösung liefern.
Dr. Marie Ritter ergänzt, wie hilfreich regelmäßige Reflexionsmomente sind: „Man kann sich wirklich regelmäßig Zeit dafür einplanen – und das ist, glaube ich, auch sehr hilfreich. Zum Beispiel könnte man in jedem Quartal eine größere Sitzung einplanen, in der man sich gezielt über die eigenen Meetings austauscht. Aber auch schon zwei Minuten am Ende eines Meetings können viel bewirken.“ Hierbei geht es nicht nur um Rückblick, sondern auch um den Mut, während eines Meetings innezuhalten. Wenn niemand beteiligt ist oder die Diskussion nicht vorankommt, kann es effektiver sein, das Gespräch bewusst zu unterbrechen und gemeinsam zu überlegen, wie man sich besser vorbereiten oder das Meeting produktiver gestalten kann. Diese proaktive Herangehensweise sorgt nicht nur für effizientere Meetings, sondern hilft auch dabei, die Motivation der Teilnehmenden zu bewahren und sie aktiv in den Prozess einzubinden.
In der Hochschullehre spielt die Perspektive der Studierenden eine zentrale Rolle. Die beiden Wissenschaftler*innen sind sich einig, dass Lehrende viel von ihren Studierenden lernen können – insbesondere, wenn es um den Einsatz digitaler Tools geht. „Die Perspektive der Studierenden ist für uns sehr wertvoll. Sie nutzen oft innovative Tools, von denen wir lernen können“, sagt Darien Tartler.
Dr. Marie Ritter betont, wie wichtig der Austausch ist. „In Seminaren, die dafür Raum bieten, fragen wir direkt: „Was nutzt ihr eigentlich?“ So erfahren wir, welche Tools ihnen wirklich helfen.“ Gleichzeitig müsse eine Balance gefunden werden, ergänzt Darien: „Die Herausforderung liegt darin, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen, damit die Zusammenarbeit funktioniert ohne die Flexibilität zu verlieren.“
Der stetige Dialog mit Studierenden ermöglicht nicht nur bessere Lehrmethoden, sondern fördert auch die gemeinsame Entwicklung neuer Lösungen – ein Gewinn für alle Beteiligten.
Der Einsatz digitaler Tools wird in der Hochschullehre weiter zunehmen. Doch wie können Lehrende und Studierende darauf vorbereitet werden? Für die beiden Wissenschaftler*innen steht fest: Digitale Kompetenzen müssen als Schlüsselqualifikation betrachtet werden – vergleichbar mit grundlegenden wissenschaftlichen Methoden.
„Es reicht nicht, Tools nur anzubieten. Wir müssen zeigen, wie sie sinnvoll eingesetzt werden können“, sagt Ritter. Tartler fügt hinzu: „Wenn wir Studierende auf die Arbeitswelt vorbereiten wollen, dürfen digitale Kompetenzen nicht nur ein Randthema sein.“
In diesem Zusammenhang spielen Fortbildungen eine zentrale Rolle. Workshops, in denen Lehrende und Studierende gemeinsam an Projekten arbeiten, können dazu beitragen, Vorbehalte abzubauen und neue Fähigkeiten zu entwickeln.
Effiziente Meetings sind keine Selbstverständlichkeit – sie erfordern Planung, Struktur und den bewussten Einsatz digitaler Tools. Dr. Marie Ritter und Darien Tartler zeigen, dass es dabei vor allem auf die Menschen ankommt, die die Meetings planen und gestalten und die hinter den Tools stehen. Durch klare Zielsetzungen, interaktive Methoden und den Einbezug aller Beteiligten können Meetings zu einem echten Mehrwert in der Hochschullehre und natürlich im Berufsleben werden.
Die Hochschulen stehen vor der Herausforderung, ihre Lehrenden und Studierenden fit für die digitale Zusammenarbeit zu machen. Dr. Marie Ritter formuliert hierzu zusammenfassend: „Die Fähigkeit, digitale Tools gezielt und kreativ einzusetzen, ist heute essenziell.“
Mit dieser Haltung und innovativen Ansätzen wie dem Meeting-Crafting können Hochschulen nicht nur ihre eigene Effizienz steigern, sondern auch ein Vorbild für andere Bereiche der Gesellschaft sein.
Wenn wir Sie neugierig gemacht haben, dann hören Sie sich hier das gesamte Interview an und erhalten weitere Tipps:
Wer Interesse hat, die Meeting-Kultur in der eigenen Organisation – sei es in Hochschule, Unternehmen oder anderen Institutionen – aktiv zu verbessern, ist herzlich eingeladen, sich zu melden. Für weitere Informationen oder bei Interesse an einem Workshop zum Thema Meeting-Crafting stehen Dr. Marie Ritter und M. Sc. Darien Tartler gerne zur Verfügung.
Das Interview führten Lea Hinrichs und Nadine Maxrath
Dr. Marie Ritter forscht und arbeitet in den Bereichen Meetings und virtuelle Zusammenarbeit, Kooperation und Wissenstransfer sowie emergente Gruppenprozesse. Ihr Fokus liegt auf der Gestaltung innovativer Arbeits- und Kooperationsformate, die den Wissensaustausch zwischen verschiedenen Akteur*innen fördern und nachhaltige Zusammenarbeit ermöglichen.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit begleitet Dr. Marie Ritter praxisorientierte Projekte, darunter die Forschungsbegleitung des Campus Wolfsburg an der Open Hybrid LabFactory mit einem Schwerpunkt auf Kooperation und Wissenstransfer. Weitere Projekte wie der Transformations-Hub MIAMy unterstreichen ihren interdisziplinären Ansatz und ihre Verknüpfung von Forschung und Praxis. Dr. Marie Ritter verbindet wissenschaftliche Expertise mit praxisnaher Anwendung, um innovative Lösungen für digitale und hybride Zusammenarbeit sowie zukunftsweisende Innovationsprozesse zu entwickeln.
M. Sc. Darien Tartler arbeitet an den Schnittstellen von (virtueller) Teamarbeit, Personal- und Teamentwicklung sowie Gruppendynamik. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Gestaltung effektiver (virtueller) Meetings und der Unterstützung von Individuen und Teams durch Karriere-Coaching und dynamische Entwicklungsprozesse.
Im Rahmen von praxisorientierten Forschungsprojekten setzt Darien Tartler diese Schwerpunkte um. Mit einem fundierten Verständnis von Teamdynamiken und einem starken Praxisbezug trägt Darien Tartler dazu bei, neue Ansätze für kollaboratives Arbeiten, effektive Kommunikation und nachhaltige Entwicklung in Teams zu entwickeln und zu implementieren.
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