KI in der Lehre:

Zukunfts-konzepte zum New Normal in Hochschule und Schule

von Dr. Sophie Domann | referiert von Prof. Dr. Tilman Michaeli & Jonas Leschke

New Normal in der Schule

Eine weitere Veranstaltung ist mit dem Titel „Zukunftskonzepte zum New Normal in Hochschule und Schule“ überschrieben, zu der zwei Experten eingeladen sind. Prof. Dr. Stefanie Hartz moderiert die Referenten und die Moderation der dritten Veranstaltung. Im ersten Teil geht es nach dem Institutionenverlauf von Kindern und Jugendlichen um die Schule/n. Dabei fokussiert sich Prof. Dr. Tilman Michaeli auf den Informatikunterricht und dessen Zusammenspiel mit Unterricht allgemein, der Schule und der Zukunft. Jonas Leschke gibt dem Plenum und Hochschulen verschiedene Aufgaben mit auf den weiteren Weg, KI in der Hochschule für alle Bereiche der Lehre einzusetzen.

Beide vertreten die Haltung, KI als Teil von Bildung anzunehmen und zu nutzen. Dafür braucht es Wissen zur Funktionsweise, zum Umgang und zum Nutzen. Daraus schließen sie an die Haltung der vorherigen Referent*innen an, KI positiv zu besetzen. Dafür braucht es bei den verschiedenen Akteursgruppen bestimmte Anforderungen an deren KI-Kompetenz und angepasste weitere Prüfungsformate.

Prof. Dr. Tilman Michaeli eröffnet mit folgender These seinen Beitrag: Alles im Bereich Schule hat mit KI zu tun. Zur Illustration nutzt er das Dagstuhl Dreieck zur Verdeutlichung. Dieses zeigt, wie informatische Bildung und KI zusammenhängen: Nutzen mit anwendungsbezogener Perspektive, Funktion mit technologischer Perspektive, Wirkung mit gesellschaftlich-kultureller Perspektive (Michaeli et al 2023 ergänzt mit spezifischen Anforderungen durch KI). Grundsätzlich sollen alle Beteiligten die Phänomene mit KI verstehen, aktive und kreative Mitgestaltung und Entscheidungsfähigkeit schaffen. Dadurch entsteht eine gewisse Digitalitätskompetenz. Insbesondere für Lehrer*innen in Schulen teilt er die Herausforderungen, die Schüler*innen auf eine unbekannte Zukunft (mit entsprechend unbekannten Technologien) vorzubereiten.

„Education should prepare young people for jobs that do not yet exist, using technologies that have not yet been invented, to solve problems of which we are not yet aware.“ Richard Riley

Das genutzte Zitat zeigt weiter die Herausforderungen für unser Bildungssystem in Schule und später Universität als Verweis auf die Veranstaltung (heute). Prof. Dr. Tilman Michaeli erwartet einen Moment der Zeitenwende mit künstlicher Intelligenz, wie er auch durch die Einführung des iPhones generiert wurde. Mit dem Publikum veranstaltet er folgendes Experiment und zeigt zehn Zahlen (0-9) in einer Legende mit unterschiedlichen Stichkombinationen. Wir haben einige Sekunden, um uns alles einzuprägen, um dann ein Rätsel aus vier Strichkombinationen den entsprechenden Zahlen zuzuordnen/zu lösen. Die wenigsten Menschen des Publikums können diese Aufgabe lösen. Mit der Auflösung, wie diese Strichkombinationen zustande kommen, ist es für Zuhörende leichter, sich die Kombinationen zu merken und die Zahlen danach zuzuordnen. Das dahinterstehende System ist das der Reihenfolge auf Telefon/PIN Eingaben. Daraus entsteht jeweils ein entsprechender Rahmen (die Strichkombination). Mit diesem und weiteren Beispielen, wie beißenden Affen und Krokodilen, erläutert Prof. Dr. Tilman Michaeli weiter das maschinelle Lernen von Künstlicher Intelligenz. Diese hat er mit einem Kollegen als OER (open educational ressource) bereitgestellt, um ein Verständnis von maschinellem Lernen aufzubauen. Dieses Material wird durch andere Lehrkräfte genutzt. Bei der Digitalitätskompetenz der Lehrkräfte setzt auch sein vorgestelltes Projekt an, die Digitalitätskompetenz in die Kompetenzbereiche der KMK zusätzlich zu inhaltlicher und pädagogischer Kompetenz aufzugreifen. In Kursen mit Lehrkräften prüfen sie gemeinsam den Jobfuturomat. Dabei zeigen die Ergebnisse, welche Aufgaben aus bestimmen Stellenbeschreibungen jetzt und demnächst von KI übernommen werden (können). Beruhigend stellen sie fest, dass Lehrer*innen und Lehrkräfte in allen Bildungsbereichen nicht zeitnah komplett ersetzt werden (können). Lernen mit KI bietet Möglichkeiten, Limitationen und KI wird in Zukunft einen assistiven Charakter in Bildungssettings einnehmen. Bestimmte Bereiche können sich alle Beteiligten leicht vorstellen, wie Nachhilfe und Übungen der Schüler*innen. Es ist wichtig, dass KI nicht nur im Bereich Informatikunterricht erwartet und genutzt wird, sondern Anwendung in mehr Fachbereichen findet. Voraussetzung dafür ist allgemeines und spezifisches Wissen für/von Lehrkräften, denn Lernen und Lehren mit KI setzt Lernen über KI voraus.

Mein Learning aus dem ersten Teil: Das Zahlenrätsel und weitere Beispiele haben für mich maschinelles Lernen nochmals verdeutlicht und haben sehr gut an die anderen Beispiele der ersten Veranstaltung angeschlossen. Natürlich habe ich mir die Zahlen-Codes mit dem Raster der PIN-Tasten gemerkt und teste damit mein Umfeld.

Lehrkräfte stehen weiteren Herausforderung gegenüber, sich mit KI für ihren Schulalltag, gleich welche Fächer, auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung reicht von allgemeinem Wissen hin zu spezifischen Unterstützungen für ihre Fachbereiche. Ihre Haltung und ihr Wissen hängen miteinander zusammen. Einerseits müssen sie Entscheidungen treffen, welche KI sie und ihre Schüler*innen unterstützt und welche Technik eingesetzt werden kann. Anderseits ist die Auseinandersetzung mit Limitationen und Gefahren nötig, um die Schüler*innen bei ihren Erfahrungen mit KI zu begleiten und zu unterstützen. Wichtig bleibt dabei der Fokus auf Spaß, Neugier und Ausprobieren: wie und wo kann KI die Arbeit in der Schule für Lehrkräfte und Schüler*innen unterstützen und Lernen und Wissen fördern? 

Quellen und Verweise

  • Leider steht für den ersten Teil keine Aufzeichnung zur Verfügung, da es Mikrofon-Übertragungsprobleme gab.
  • Jobfutromat: https://job-futuromat.iab.de/
  • Zum Weiterlesen: MOCC/OER Informatik und KI: www.computingeducation.de
  • Rätsel mit den Zahlen Claus Brabrandand Jacob Andersen (2006): Teaching Teaching & Understanding Understanding 

New Normal in der Universität

Auch Jonas Leschke geht von dem Standpunkt aus, dass KI viele Möglichkeiten und gleichzeitig Herausforderungen für die Lehre in Hochschulen bereithält. Dabei gelangen gerade generative KI wie ChatGPT in den Fokus für Lehre, Forschen und Prüfen in Hochschulen.

Eine vielfältige Liste an möglichen, von KI unterstützten Rollen zeigt Jonas Leschke von Shaples 2023: Zusammenarbeitscoach, Möglichkeitsmaschine, Erforscherin, Tutorin, Lernbegleiterin, Motivator und dynamische Bewerterin und viele Rollen mehr (Sharples, 2023; übernommen in Sabzalieva & Valentini 2023; übersetzt von Johannes Schleiss).

In diesen Rollen bietet KI unterschiedliche Hilfestellungen, wie Argumentationshilfe, Feedback zum Fortschritt, Design, Spielpartner, Sparring-Partner*in beim Lernen. Generative KI in der Institution Universität/Hochschule bietet auch Veränderungen in der Lehrplanung. Das gängige Modell des Constructive Alignment überprüft Jonas Leschke mit KI in den drei dazugehörigen Bereichen Lernziel, Prüfung und Lehr-Lernaktivität.

Lernziele: Wie beeinflusst KI Wissenschaft und Forschung, wie verändert sich der Umgang mit Daten? Weiter sind KI-Kompetenzen bei Studierenden ein erstrebenswertes Lernziel. Es ist nötig zu überprüfen, welche Lernziele trotz KI weiter bestehen bleiben.

Prüfung: Gängig ist es, objektive, valide und reliable Prüfungen der Lernziele zu erstellen. Dafür müssen Format, Aufgabentyp und Erwartungshorizont mit den Lernenden/Studierenden geteilt werden. An dieser Stelle diskutierte Jonas Leschke insbesondere das Thema Leistungserschleichung. KI ist hier nicht der Grund, sondern Leistungserschleichung/Betrug ist ein eher ein Symptom für unangemessene Prüfungsbedingungen. Diese ermöglichen Studierenden auch schon ohne KI, die Leistung nicht selbstständig komplett allein zu erbringen. Künstliche Intelligenz wird nach Jonas Leschke also nur als Möglichkeit der Leistungserschleichung eingesetzt und ist nicht der Grund, dies zu tun. KI kann dagegen als Prüfungsinhalt dienen, Rahmenbedingungen schaffen und auch als Bewertungshilfe bereitstehen.

Lehr-Lernsituation: In diversen Lehrveranstaltungen kann Input und Impuls ohne KI und begleitendes Lernangebot (Übung, Tutorien) stattfinden. Aber die oben genannten Rollen bieten Möglichkeiten in verschiedenen Szenarien die Studierenden und Lehrenden zu unterstützen. In Übungen können KI Tools beim Selbstlernen zum Einsatz kommen und Selbstlernangebote bereithalten. Bei Selbstlernaufgaben, die allein (ohne KI) gelöst werden sollen, muss die Motivation und Transparenz für Notwendigkeit der Aufgaben verdeutlicht werden. Es können aber auch Formate eingesetzt werden, in denen der Lernfortschritt durch KI unterstützt wird (Lösungshinweise, Erklärungen, passende Aufgaben und Wiederholungen).

Neben der Planung der Lehrveranstaltungen bietet auch die entsprechende Veranstaltungsevaluation Unterstützungsmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz. Dabei können die Evaluationen von Classroom analytics, Asessment analytics und Learning analytics helfen, die Lehr-Lernsituationen kurz-, mittel- und langfristig zu verbessern. Die Ergebnisse der drei Bereiche müssen hierbei erklärbar sein.

Jonas Leschke bringt zum Ende eine Liste mit To-Dos für die Hochschulen mit. Dabei betont er die weiteren Bestrebungen nach interdisziplinärer Zusammenarbeit, Qualifizierungsangebote, Investition in digitale Infrastruktur und Personal, Ethik und Datensouveränität, Interoperabilität von Daten in Bildungskontexten. Diese Bereiche werden massiv von den Entwicklungen der künstlichen Intelligenz beeinflusst und ergeben viel Handlungsanforderungen.

Weiter fordert er die Wissenschaftsbereiche auf, Konventionen zum Umgang mit KI-Tools zu definieren. Um das New Normal zu erreichen, werden sich die Universitäten entwickeln können. Gleichzeitig bleiben die grundlegenden Fragen zum Lernen und zur Lehrveranstaltungsgestaltung gleich. Wie oben gezeigt, kann das Constructive Alignment mit KI angepasst werden.

Mein Learning aus dem zweiten Teil schließt an den ersten Teil direkt an: Die Haltung zu KI und das Wissen um Möglichkeiten und Einsatz sind Voraussetzung bei den Lehrenden, damit der Umgang mit KI in den Hochschulen gelingt. Es gibt in der Lehre viel Potenzial, KI im Kleinen und Großen einzusetzen, wie es die Rollen verdeutlicht haben, sowohl für Lehrende als auch für Studierende und die Veranstaltungsevaluation. Neben der individuellen Verantwortung der Lehrenden gehört ebenso die starke Unterstützung der hochschuleigenen Infrastruktur auf struktureller und technischer Ebene dazu. Hier muss ebenso die Datenerstellung, -verarbeitung und -nutzung sicher begleitet werden. Diese Bereiche bedeuten für mich, dass Beratungs- und Schulungsangebote weiterhin für Lehrende und Studierende in diesen Bereichen auf hohem qualitativen Niveau angeboten werden müssen. Auch damit können die Veränderungen und der Umgang mit Herausforderungen gelingen. 

Quellen und Verweise


Weiterführende Literatur

  • Fleischmann, A. 2023: ChatGPT in der Hochschullehre. Neues Handbuch Hochschullehre
  • Leschke, J./Sedan, P. /Wissing, F. 2023: Von Learning analytics zu Qualitätsmanagement an der Hochschule: Potenziale lehrbezogener Datenanalysen in Zeiten Künstlicher Intelligenz. In: Handbuchs für Qualität in Studium, Lehre und Forschung.
  • Schliess et al 2023: KI in der Bildung. Drei Zukunftsszenarien und fünf Handlungsfelder
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