Seminarpläne neu denken (mit Canva!)
Seminarpläne neu denken (mit Canva!) von Julika Moos Ich habe an verschiedenen Universitäten in Deutschland und im Ausland verschiedene Fächer auf verschiedenen Sprachen studiert, aber eine Sache sah fast immer identisch aus: Von der Archäologie-Vorlesung bis zum Theologie-Hauptseminar waren Seminarpläne immer eine chronologische Abfolge von Daten, meist tabellarisch auf ein hochformatiges Din A4-Blatt gesetzt. Neben den chronologisch aufgeführten Daten fand sich darauf das Thema der jeweiligen Sitzung an einem bestimmten Datum, dazu manchmal noch die entsprechende Literatur zur Sitzung. Unter der tabellarischen Auflistung der einzelnen Termine gab es vielleicht noch ein paar Hinweise zum Lehrbuch oder zu Sprechstunden, aber das war es dann auch schon. Als ich selbst begann, Lehrinhalte zu gestalten, stellte ich die Form eines klassischen Seminarplans nie in Frage – dass ein Seminarplan eine Liste mit Daten beinhalten muss, war für mich einfach immer völlig klar. Also kopierte ich die Form der Seminarpläne, die ich aus meinem Studium kannte: Din A4-Word-Tabellen mit Daten. Und obwohl ich mir Mühe gab, mir ansprechende Titel für die einzelnen Sitzungen zu überlegen, behielt ich die altbekannte Form bei. Und ja, natürlich begann ich auch, Seminarpläne für Einführungsveranstaltungen, die ich mehrfach leitete, zu copy-pasten und vergaß dabei, die Jahreszahlen zu aktualisieren, sodass die Studierenden meiner Faulheit Effizienz gleich auf die Schliche kamen. Abbildung 1: Selbsterstellter Seminarplan für das Sommersemester 2019 im tabellarischen Format in einfacher Textformatierung. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0. Neueste Beiträge All Posts How to Uni How to Tool How to Co-Work Aktuelle Veranstaltungen Verbundarbeit im Fokus – Koordination, Qualitätssicherung und Zusammenarbeit im Projekt QUADIS Organisiert mit Infinity Maps in pädagogischen Seminaren Hochschulübergreifende Kooperation mit Transparenz und agilen Tools Kategorien How to Co-Work How to Tool How to Uni Vergangene Veranstaltungen Es dauerte Jahre, bis mir auffiel, dass es doch einigermaßen erstaunlich ist, dass die Form des typischen Seminarplans so beständig ist: Meine ersten Referate im Studium hielt ich noch mit Folien am Overhead-Projektor, mittlerweile unterrichte ich in hybriden Videokonferenzen mit interaktiven Präsentationen via Screenshare – aber Seminarpläne sehen immer noch genau gleich aus? Wie kann es sein, dass sich die Gestaltung der Lehre in den letzten Jahren so geändert hat, aber die Seminarpläne nicht? Eigentlich wissen Lehrende, dass Seminarpläne nach der ersten Sitzung schnell veralten: Mal fällt etwas aus, mal verschieben sich Sitzungsinhalte, die doch mehr Zeit beanspruchen, und irgendwie geraten die (ehrgeizigen) Pläne vom Anfang des Semesters dann schnell in Vergessenheit. Gerade wenn die Universität ein Lern-Management-System wie z.B. Stud.IP nutzt, werden Seminarpläne im laufenden Semester eigentlich kaum noch angeschaut: Im LMS gibt es ja einen Ablaufplan, der schneller wiederzufinden ist, als ein Zettel aus der ersten Sitzung. Und wenn dort dann gleich noch die Literatur zur jeweiligen Sitzung abgelegt ist, gibt es nun wirklich kaum einen Grund mehr, nochmal den Seminarplan herauszusuchen. Vielleicht sollten wir also Seminarpläne neu denken, denn als tatsächlichen Ablaufplan nutzen wir ihn, wenn wir ehrlich sind, doch eher selten. Trotzdem ist das Austeilen der Seminarpläne in der ersten Sitzung in einer Lehrveranstaltung ein wichtiges Ritual, das die Stimmung des Semesters beeinflussen kann: Genau genommen dienen Seminarpläne nämlich dazu, die Studierenden neugierig zu machen und ihnen eine Vorschau darauf zu geben, was sie im Lauf des Semesters erwartet. Aber statt Neugier zu wecken, tendieren wir oft dazu, Seminarpläne mit Informationen und Fachbegriffen – die die Studierenden ja noch gar nicht kennen können – zu überfrachten. Sollte die studentische Reaktion auf einen Seminarplan aber nicht eher „oh, das klingt aber vielversprechend“ oder „auf diese Inhalte freue ich mich“ lauten statt „uff, das liest sich aber anstrengend“? Was also, wenn wir Seminarpläne mehr wie einen Filmtrailer verstehen? Als einen Teaser für die kommenden Wochen, ohne konkret vorgegebene Inhalte und stattdessen mit einem Fokus auf die Highlights, die die Studierenden erwarten? Dann können wir uns von der langweiligen tabellarischen Form lösen und anfangen, schon in der ersten Sitzung den Schwerpunkt darauf zu lenken, was die Studierenden im kommenden Semester begeistern und mitreißen könnte! Eine Möglichkeit, einen Seminarplan kreativer und anregender zu gestalten, ist die Nutzung des Design-Tools Canva. Damit können auch mediengestalterische Laien ansprechende Designs erstellen, die nicht mehr nach einer Word-Tabelle aussehen, sondern eher wie ein Flyer für ein Event. Es lassen sich damit sehr unkompliziert Fotos, Grafiken oder QR-Codes zu Videos einbauen, die das Interesse der Studierenden vielleicht viel eher ansprechen, als Daten und Listen mit Fachbegriffen und Fachliteratur. Natürlich kommt ein Seminarplan nicht ganz ohne organisatorische Hinweise aus, aber gerade wenn ohnehin ein begleitendes Lern-Management-System genutzt wird, braucht es diese vielleicht gar nicht, weil sich die wichtigen Infos online finden lassen. Stattdessen kann sich die Gestaltung des Seminarplans dann ganz darauf fokussieren, was dessen wichtigste Aufgabe in der ersten Sitzung ist: Vorfreude zu wecken! Abbildung 2: Selbsterstellter Seminarplan für das Wintersemester 2022/2023. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0.
Das ganze Seminar auf einen Blick: Wie ein Whiteboard-Tool die literaturwissenschaftliche Lehre bereichern kann
Das ganze Seminar auf einen Blick: von Julika Moos Wie ein Whiteboard-Tool die literaturwissenschaftliche Lehre bereichern kann Im letzten Semester wagte ich ein Experiment: Ich bot ein Vertiefungsseminar in der germanistischen Mediävistik an, in dem ein über 21.000 Verse umfassender mittelhochdeutscher Roman gelesen und besprochen werden sollte. Das ist für ein Mediävistik-Seminar zunächst nicht ungewöhnlich – vor allem im höheren Semester können wir den Studierenden durchaus größere Textmengen zumuten. Die spezifische Herausforderung war allerdings, dass der Roman nicht – wie viele der anderen Texte, mit denen wir in der Lehre hauptsächlich arbeiten – in einer neuhochdeutschen Übersetzung vorliegt. Obwohl der Text unter Forschenden bekannt ist, bleibt er für Studierende recht unzugänglich und wird in der Lehre kaum behandelt. Tatsächlich gibt es zu Konrads von Würzburg Roman nicht mal einen Wikipedia-Artikel! Mir war also sehr bewusst, dass ich die Studierenden nicht nur mit einem umfassenden Primärtext herausfordere, sondern auch mit einer schwierigen Lektüre konfrontiere, die sie vermutlich öfter mal an ihre Grenzen bringen würde: Gereimte Verse, eine ältere Sprachstufe und unbekannte Ausdrücke sorgen oft schon für Verwirrung, selbst wenn eine neuhochdeutsche Übersetzung zur Verfügung steht. Ich brauchte also unbedingt einen Weg, um Lektüre, Besprechung und Analyse dieses mittelhochdeutschen Romans für die Studierenden zugänglicher zu machen. Dazu benutzte ich das Kreativtool Miro. Das Hauptfeature dieses Tools ist ein digitales Whiteboard, auf dem sich zahlreiche unterschiedliche Gestaltungsformen anbringen lassen. In der ersten Seminarsitzung stellte ich Miro als ein gemeinsames Seminarprojekt vor, das wir im Lauf des Semesters gemeinsam befüllen würden. Weil das Tool (bisher) nicht DSGVO-konform ist, holte ich das Einverständnis der Studierenden ein, dieses Tool dennoch gemeinsam zu nutzen. Die Nutzer*innen des gemeinsamen Whiteboards meldeten sich mit einer Email-Adresse an; ohne Anmeldung und spezifischen Einladungslink kann das Board nicht eingesehen oder verändert werden. Ich widmete jedem im Seminar gelesenen Textabschnitt eine dezidierte Sektion in unserem Whiteboard. In jeder dieser Sektionen zu einem Textabschnitt brachte ich ein großes Feld an, in das visuelle Assoziationen zur gelesenen Textpassage eingefügt und die Studierenden so aktiv zur kreativen Mitarbeit angeregt werden sollten. Ich gab den Studierenden dazu – wie in literaturwissenschaftlichen Seminaren üblich – einen jeweils konkreten zu lesenden Textabschnitt vor und bat sie, als Teil ihrer Vorbereitung für die Sitzung, in der dieser Romanauszug behandelt werden sollte, passende Fotos herauszusuchen, die diese Szene bildlich beschreiben könnten, um diese dann im Board zu teilen. Kapitel Vorstellung des Kreativtool Miro Visuelle Annäherung Felder für Rückmeldungen Interaktive Tafel Anonyme Evaluation Fazit Neueste Beiträge All Posts How to Uni How to Tool How to Co-Work Aktuelle Veranstaltungen Verbundarbeit im Fokus – Koordination, Qualitätssicherung und Zusammenarbeit im Projekt QUADIS Organisiert mit Infinity Maps in pädagogischen Seminaren Hochschulübergreifende Kooperation mit Transparenz und agilen Tools Kategorien How to Co-Work How to Tool How to Uni Vergangene Veranstaltungen Diese visuelle Annäherung an den Romaninhalt brachte in vielerlei Hinsicht Vorteile mit sich: Für die Studierenden wurde so deutlich, dass sie bei ihrer Lektüre nicht jedes Wort verstehen mussten, sondern dass es ausreichte, z.B. ein Bild von einem Schiff im Mondschein herauszusuchen, wenn sie diesen Aspekt der verstanden und als bedeutend erkannt hatten. Das Bildersuchen hatte damit gleichzeitig etwas Spielerisches, das die Angst vor diesem umfangreichen und sicher teilweise unverständlichen Text deutlich reduzierte. Sobald die ersten Seminarteilnehmer*innen ihre Bilder eingefügt hatten, funktionierten diese wiederum als Absicherung für diejenigen, die erst etwas später mit der Lektüre beginnen konnten: Die Bilder der anderen sorgten, so mein Eindruck, für Rückversicherung dessen, was verstanden wurde und trugen so zu einem selbstbewussten Umgang mit dem Text bei. Die Bilder-Collage in unserem gemeinsamen digitalen Whiteboard half gleichzeitig dabei, dass ich in meiner eigenen Vorbereitung auf die einzelnen Seminarsitzungen sehr viel besser antizipieren konnte, wie viel die Studierenden von der zu lesenden Textpassage verstanden hatten und wie viel Zeit wir brauchen würden, um über die Passsage zu sprechen. Es bereitete mir selbst richtig Freunde, im Lauf der Woche immer mal wieder ins Board zu schauen, ob unsere gemeinsame Collage mittlerweile wieder gewachsen war und festzustellen, dass die Studierenden doch deutlich mehr verstanden, als ich anfangs zu erwarten gehofft hatte. Am Ende des Semesters fügten sich die einzelnen Bilder-Collagen zu einer visuellen Timeline des Romans zusammen: Weil ich Freifelder für die Bilder-Sammlungen in der Planung des Boards nebeneinander angebracht habe, stellen sie nun eine Art visuellen Zeitstrahl dar, mit dem sich die Handlung des Romans visuell rekapitulieren lässt. Gerade für jene Studierenden, die jetzt eine Hausarbeit schreiben, dürfte der Mehrwert dieser visuellen Inhaltszusammenfassung äußert hilfreich sein, wenn sie eine bestimmte Textstelle suchen, sie aber in den tausenden von Versen nicht auf Anhieb finden können. Die Orientierung im Text anhand der gemeinschaftlich erstellten Bilder-Collagen dürfte den Studierenden deutlich leichter fallen. Zusätzlich zu der jeweiligen Bilder-Collage richtete ich für jede Sitzung spezifische Felder für Rückmeldungen ein, in denen digitale Notizzettel angepinnt werden konnten: Es gab eine Ecke für allgemeine Beobachtungen zum Textabschnitt, in denen wir etwa besonders wichtige Zitate, den Auftritt neuer Figuren oder kurze Paraphrasen essenzieller Teilabschnitte der Handlung sammelten. Eine weitere Ecke war Problemen und Ungereimtheiten im Text gewidmet: Hier konnten schwer verständliche Worte oder Textphrasen gesammelt werden, die ich oft auch vor der Sitzung im Board beantwortete. Ein weiteres Feld war als Ideenspeicher für Themenwünsche gedacht: Wenn den Studierenden etwas aufgefallen war, über das sie gerne sprechen wollten, konnten sie diese Ideen dort sammeln, sodass wir sie dort nicht aus dem Auge verlieren würden. Nach der ersten Sitzung bemerkte ich, dass man die Annäherungen an den Inhalt auch noch weiter visualisieren könnte und richtete für jede Sitzung außerdem eine zusätzliche Meme-Corner ein, in der lustige Adaptionen der Romanhandlung geteilt werden konnten. Um die Studierenden zur aktiven gemeinsamen Beiteilung an unserer digitalen Tafel zu ermuntern, verzichtete ich darauf, alternatives Material wie Präsentationen zu benutzen, weil diese eine eher passive Rezeption nach sich zögen. Stattdessen ermunterte ich die Studierenden, auch in den Seminarsitzung mal ein Bild in das Board einzutragen: Eine Studentin verglich etwa die handlungslenkende Darstellung einer Figur mit dem Film „Die Truman Show“, sodass wir – weil der Vergleich so passend war – in der Seminardiskussion live ein Bild des Filmplakats in unsere Collage einfügten, um