Interkulturelle Kommunikation intermedial:

Abstimmungstools in der Angewandten Linguistik

von Anna Scarcella

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin habe ich zwischen 2017 und 2021 verschiedene Lehrveranstaltungen im Bereich der Angewandten Sprachwissenschaft und der interkulturellen Kommunikation angeboten, darunter insbesondere Seminare. Dieses Lehrveranstaltungsformat bietet die Möglichkeit, anwendungsbezogen zu arbeiten. Für die Angewandte Sprachwissenschaft und interkulturelle Kommunikation bedeutet das beispielsweise, Sprache innerhalb ihrer konkreten Kommunikationssituationen – ob mündlich oder schriftlich – analytisch zu betrachten und interpretativ aufzuarbeiten. Wichtig hierfür ist, dass Studierende die entsprechenden Kategorien, die ihnen als Handwerkszeug zur Analyse von Sprache zur Verfügung stehen, kennen, anwenden und wissenschaftlich einordnen können.

Fragen, die Studierende daher immer wieder beschäftigen (sollten), sind zum Beispiel folgende:

  • Wie lauten die korrekten Fachbegriffe für die mir zur Verfügung stehenden Analysekategorien?
  • Wo kommen diese Kategorien wissenschaftshistorisch her? 
  • Wie trage ich die Kategorien an das vor mir liegende sprachliche Material heran?

Insbesondere zu Beginn des Studiums sehen sich Studierende mit einer breiten Fülle an Informationen sowie den erhöhten Anforderungen des wissenschaftlichen Arbeitens im Vergleich zur schulischen Ausbildung konfrontiert. Diese Umstellung und Neuorientierung kann es Studierenden erschweren, sich mit ebensolchen tiefergehenden Fragen auseinanderzusetzen und notwendige theoretische Grundlagen für die weitere Anwendung nachhaltig zu erlernen. Im Bereich der Angewandten (interkulturellen) Sprachwissenschaft scheint auch die Art und Weise, wie Sprache – in mündlicher und schriftlicher Form – betrachtet und analysiert werden kann, für Studienanfänger*innen oft neu und komplex. Zugegebenermaßen bedarf die Betrachtung von Sprache und Kommunikationsprozessen aus einer linguistisch-pragmatischen Perspektive mit Kategorien wie Illokutionen, sprachlichen Prozeduren und sprachlichen Handlungsmustern, wie ich sie in meinen Seminaren gelehrt habe, ein wenig Übung, um sich in diesem Feld sicher zu fühlen. Umso wichtiger scheint es mir daher, dass die theoretischen Grundlagen hinter diesen Kategorien und zugehörige wissenschaftliche Herleitungen bekannt sind und verinnerlicht wurden.

Obwohl die Seminare, die ich gelehrt habe, meist erst ab dem dritten Semester gewählt wurden, habe ich also immer wieder versucht zu überprüfen, ob die genannten theoretischen Grundlagen überhaupt ausreichend gefestigt sind. Nur so konnte ich Wissensdefizite auf Ebene des Grundlagenwissens überhaupt identifizieren und bei Bedarf Wiederholungen einführen. Auch wenn es möglicherweise für ein geisteswissenschaftliches Seminar weniger üblich ist, habe ich mir Zeit genommen, kurze Wissensüberprüfungen einzubauen – meist mündlich und zwischendurch in Form von klassischen Abfragen: „Wie war das nochmal: Der Zweck des Frage-Antwort-Musters ist …?“. Gelegentlich habe ich die Fragen in einer PowerPoint-Präsentation zur visuellen Unterstützung aufbereitet, allerdings nur, wenn ich ohnehin eine Präsentation vorbereitet hatte, was nicht immer der Fall war. Meiner Erfahrung nach hat eine solche zwischengeschaltete Wissensabfrage allerdings immer wieder die gleichen Studierenden erreicht, denn beteiligt hat sich nur ein kleiner Teil der Studierenden und ein großer Teil der Seminargruppe blieb still. Mir fiel es dann oft schwer, einzuschätzen, aus welchem Grund sich nur eine Handvoll von Studierenden beteiligte. Neben dem Vorhandensein von Wissenslücken könnten auch Hemmungen, aus Angst etwas Falsches zu sagen, Gründe für das Schweigen gewesen sein.

Durch meine Arbeit im Projekt Co3Learn habe ich verschiedene Audience-Response-Tools kennengelernt, die den oben beschriebenen Anwendungsfall von Wissensabfragen deutlich vereinfachen und interaktiver gestalten können. Hierzu zählt das Tool Wooclap, das verschiedene Fragevarianten bereithält, es der Lehrperson erlaubt, Abfragen in der Seminargruppe zu starten und in die sonst eher diskursive Vermittlung einzubauen. Für das jeweilige Seminar können mit Wooclap im Vorfeld der Veranstaltungssitzung verschiedene Fragen zu Inhalten, die für die Sitzung besondere Relevanz haben, formuliert und mit den jeweils richtigen Antworten hinterlegt und gespeichert werden. Die Fragen können somit jederzeit innerhalb des Seminars eingeblendet und abgerufen werden. Studierende können dann unkompliziert über das Scannen des QR-Codes mit ihrem Smartphone oder über die Eingabe eines Codes auch am Laptop an der Abfrage teilnehmen.

Einer der Vorteile der Nutzung von Wooclap für zwischengeschaltete Wissensabfragen ist, dass durch die anonyme Teilnahmemöglichkeit Hemmungen abgebaut werden können und sich möglicherweise auch Studierende beteiligen, die sich sonst weniger trauen, offen im Plenum zu sprechen. Grundsätzlich können die Studierenden über den Einsatz des Tools zum Mitmachen angeregt werden und erhalten durch die unmittelbare Einblendung, ob die eigenen Auswahl richtig oder falsch war, gleichermaßen die Möglichkeit, ihren Wissensstand zu ausgewählten Themen und Fragen zu reflektieren. Die Lehrperson wiederum erhält die Möglichkeit, einen Überblick über den Wissensstand der Studierenden zu erhalten und Wissensdefizite, die über Einzelpersonen hinausgehen, zu identifizieren. Ebensolche Wissenslücken zu identifizieren, ist aus meiner Perspektive auch für Lehrveranstaltungen, die eher auf die Anwendung des Erlernten ausgerichtet sind, wichtig, um Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Aufgaben auf den Grund zu gehen. Wie sollen Studierende die illokutive Struktur eines Werbetextes erarbeiten, um im weiteren Analyseverlauf gesellschaftlich etablierte Zwecksetzungen sichtbar zu machen, wenn der Unterschied zwischen den dafür notwendigen Illokutionstypen nicht bekannt ist und auf theoretischer Ebene noch nicht verinnerlicht wurde?

Aus meiner Sicht erhalten Lehrende durch den o.g. Tooleinsatz also die Möglichkeit, vorliegende Wissensdefizite zu identifizieren und für die weitere analytische Arbeit im Studium aufzuarbeiten. Außerdem bin ich überzeugt, dass Wissen nachhaltiger erlernt werden kann, wenn theoretische Grundlagen, beispielsweise durch kurze und interaktive Wissensabfragen, gelegentlich wiederholt werden und mit der unmittelbaren Anwendung der entsprechenden Konzepte – hier Analysekategorien – kombiniert werden. In kommenden Lehrveranstaltungen würde ich Wissensabfragen also toolgestützt durchführen, um möglichst viele der Studierenden abzuholen und die Teilnahme interaktiv und möglichst niedrigschwellig zu gestalten.

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