von Julika Moos
Obwohl es nachgewiesen ist, dass Studierende, die in Gruppen zusammenarbeiten, nachhaltiger lernen, sind Gruppenarbeiten im Studium oft eine zähe Angelegenheit: Gerade Gruppenarbeiten, die nicht über einen längeren Zeitraum (z.B. in Form einer festen Lerngruppe) hinweg existieren, sondern im Rahmen einer Sitzung als Teil der Unterrichtseinheit durchgeführt werden, können für Lehrende und Lernende gleichermaßen frustrierend sein. In der didaktischen Theorie gehören Gruppenarbeiten zwar zum Standardrepertoire des interaktiven Lernens, aber in der Praxis fallen sie im Hochschulalltag oft unter den Tisch, weil sie dann, wenn sie nicht zielführend sind, zeitraubend wirken.
Ohne offensichtliche didaktische Einbindung können sich Gruppenarbeiten aus studentischer Perspektive oft wie eine Zeit-Totschlag-Strategie anfühlen, die von Dozierenden genutzt wird, um nicht die komplette Lehreinheit mit Frontalunterricht zu füllen. Aus der Lehrenden-Perspektive bleiben die typischen Herausforderungen von Gruppenarbeiten auch als Außenstehende*r nicht verborgen: Die Studierenden verwenden zu viel Zeit für Organisatorisches und Rollenklärung („Wer schreibt mit? Wer stellt vor?“) oder driften schnell in private Gesprächsthemen ab, sodass die Gruppen oft mehr Zeit benötigen und damit Zeit für das Zusammentragen der Ergebnisse verloren geht.
Besonders schwierig ist es, wenn die geplante Zeit für die gemeinsame Arbeit in Gruppen hauptsächlich genutzt wird, um die Gruppenmitglieder auf den gleichen Ausgangsstandpunkt zu bringen. Denn wer Sitzungen verpasst oder die Unterlagen zu früher besprochenen Inhalten nicht parat hat, muss sich auf Kommiliton*innen in der Gruppe verlassen, die Materialen zur Verfügung stellen und Hilfe bei der Rekapitulation anbieten. Gemeinsames Wiederholen und gegenseitiges Erklären ist für den Lernprozess zwar durchaus förderlich, kann aber in diesem Fall dazu führen, dass Studierende sich unterfordert fühlen. Die Ergebnisse von jenen Gruppen, die einen Großteil der angedachten Arbeitszeit dafür gebraucht haben, sich auf den gleichen Stand zu bringen, fallen tendenziell unterkomplex aus und verhindern dann den erhofften Arbeitsfortschritt in der Lehrveranstaltung, sodass der*die Dozierende sich doch wieder in der Pflicht sieht, die erwünschten Ergebnisse selbst frontal zu präsentieren.
Digitale Tools können aber dabei helfen, Gruppenarbeiten effektiver und zielgerichteter anzuleiten – wie das folgende Beispiel aus der anglistischen Literaturwissenschaft exemplarisch vorführen möchte: Eine Lösung für Herausforderungen mit Gruppenarbeiten, die im Rahmen einer Lerneinheit innerhalb einer Sitzung stattfinden, könnte die Integration eines digitalen Whiteboards sein.
In Einführungsveranstaltungen der literaturwissenschaftlichen Studienfächer werden oft Modelle vermittelt, mit denen Texte untersucht werden. Ein wichtiges literaturwissenschaftliches Modell ist das Kommunikationsmodell, das darstellt, in welchem Vermittlungsverhältnis der Erzähltext, die Erzählinstanz und die Rezipierenden zueinanderstehen. Das Kommunikationsmodell kann auf Studierende anfangs befremdlich wirken, die Übertragung des abstrakten Modells auf gelesene Primärtexte funktioniert darum nicht immer reibungslos. Eine Gruppenarbeit kann jedoch dabei helfen, das Verständnis dieses Modells zu vertiefen und im Gespräch mit anderen dessen Vorteile und Herausforderungen verstehen zu lernen.
Mit dem DSGVO-konformen Whiteboard-Tool Collaboard, das viele deutsche Universitäten mittlerweile an ihre Strukturen angebunden haben und kostenlos zur Verfügung stellen, lässt sich eine studentische Gruppenarbeit zum literaturwissenschaftlichen Kommunikationsmodell so anleiten, dass für Dozierende und Studierende zufriedenstellende Ergebnisse ermöglicht werden.
Wird diese Gruppenarbeit mit einem digitalen Whiteboard konzipiert, kann das Tool zunächst genutzt werden, um das Modell kennenzulernen oder zu wiederholen: In der Whiteboard-Oberfläche gibt es ausreichend Platz, um die Gruppenarbeit und das Werkzeug, das dafür genutzt werden soll, parallel abzubilden, sodass die Studierenden alle wichtigen Informationen vorliegen haben und sofort gemeinsam loslegen können.
Der Arbeitsauftrag in dieser Beispielübung möchte das Verständnis des Modells vertiefen und die Anwendung auf einen Roman, in diesem Fall Mary Shellys „Frankenstein“, erproben: Die Studierenden sollen die Kommunikationsstrategie des englischen Klassikers mithilfe des Modells aufdröseln und im gemeinsamen Gespräch lernen, wo es für den Roman sinnvoll anwendbar scheint und wo es an seine Grenzen stößt.
Dazu werden im Whiteboard vorab Sektionen für die einzelnen Gruppen angelegt, die die basale Struktur des Kommunikationsmodells nachahmen. Die Studierenden füllen dieses vereinfachte Modell mit ihren Beobachtungen zu den jeweiligen erzählenden Strukturen des Romans. Fragen oder Unklarheiten könnten unter dem Gruppenbereich in digitalen Notizzetteln notiert werden, sodass parallel eine Sammlung an Anregungen für eine anschließende Diskussion im Plenum entsteht.
Durch die vorgebende Struktur im Whiteboard lassen sich organisatorische Debatten innerhalb der Gruppen vielleicht auf ein Minimum reduzieren, weil alle Gruppenmitglieder zeitgleich schreiben und gestalten können. So kann mit minimaler Vorbereitungszeit der Rahmen für eine Gruppenarbeit abgesteckt werden, bei dem auch das geplante Zeitfenster nicht überzogen werden muss. Weil das der Übung zugrundeliegende theoretische Gerüst des Kommunikationsmodells im Whiteboard mitabgelegt ist, können die Studierenden jederzeit selbstständig überprüfen, wie sich ihre eigenen Ergebnisse dazu verhalten. Außerdem arbeiten alle Gruppen parallel im selben Whiteboard, sodass für alle auch der Fortschritt der anderen sichtbar ist, was womöglich zur gesteigerten Motivation und einem Gefühl von Absicherung beiträgt – ganz egal, ob die Lehrveranstaltung in Präsenz, hybrid oder ganz digital stattfindet.
Um diesen beispielhaften Arbeitsauftrag aus der Anglistik für die jeweiligen Gruppen zu individualisieren, könnten die Ergebnisse zusätzlich mit Bildern versehen werden: Durch eine illustrierende Bildersuche und die damit verbundene visuelle Annäherung an die Kategorien des Kommunikationsmodells kann der Umgang mit den Fachbegriffen zusätzlich besser erinnert werden. Unterschiedliche visuelle Ausgestaltung mit Bildern bietet für die spätere Besprechung der Gruppenarbeiten zudem einen niedrigschwelligen Einstieg für ein resümierendes Gespräch im Plenum.
Falls nicht alle Gruppen an der gleichen Aufgabenstellung arbeiten sollen, könnte diese Form der literaturwissenschaftlichen Gruppenarbeit im digitalen Whiteboard auch in unterschiedliche Abschnitte unterteilt werden: Dabei bekäme jede Gruppe einen bestimmten Textabschnitt bzw. bestimmte Kapitel zugeteilt, für die das Kommunikationsmodell angewendet wird. Damit ließe sich dann darstellen, ob und wie sich die Kommunikation des Romans im Verlauf der Handlung verändert, was dann wiederum eine gute Grundlage für eine auswertende Diskussion im Plenum wäre. Der entscheidende Vorteil des digitalen Whiteboards ist dabei, dass diese mögliche Entwicklung der Erzählstrategie eines Romans quasi als chronologischer Zeitstrahl zusammen erarbeitet und anschließend auf einen Blick erfasst und nachvollzogen werden könnte.
Bei einer solchen Gruppenarbeit, die ganz offensichtlich Teil einer kollaborativen Auseinandersetzung aller Studierenden mit dem Text in der Lehrveranstaltung ist und bei der die Ergebnisse der einzelnen Gruppen aufeinander aufbauen, voneinander abhängig sind und damit zugleich Teil der gemeinschaftlichen Ergebnissicherung sind, kommt die Frage nach dem Mehrwert von Gruppenarbeiten womöglich viel weniger auf: Die Studierenden können ihre Überlegungen als Teil eines Ganzen betrachten, in dem jeder eingefügte Beitrag zur Erschließung des Romans beiträgt.
Durch die nachhaltige Sicherung der Ergebnisse im digitalen Whiteboard, die nicht – wie eine mündliche Präsentation oder ein Tafelbild – schon bald nach der Sitzung wieder verpuffen, können die Befunde langfristig weiter in der Lehrveranstaltung genutzt werden: Zur individuellen Nachbereitung und Wiederholung, aber auch als Grundlage für weitere Gruppenarbeiten, die dann im Lauf des Semesters die früheren Überlegungen stets präsent und sichtbar halten.
Gerade wenn die Studierenden wiederholt erfahren, dass das, was sie gemeinsam in Gruppen erarbeitet haben, immer wieder als Arbeitsgrundlage herangezogen wird, lernen sie, dass Gruppenarbeiten nicht als Zeitüberbrückung, sondern als sinnvolle Methode für die Vertiefung und Anwendung gelernter Inhalte fungieren. Der Mehrwert von digitalen Tools wie Collaboard zeigt sich für Studierende vor allem dann, wenn Lerninhalte anschaulich aufbereitet und jederzeit von überall langfristig abrufbar sind!
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