von Dr. Sophie Domann
Als Lehrende im Bereich Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim besuchte ich im Rahmen meiner hochschuldidaktischen Weiterbildung eine Veranstaltung zum Problembasierten Lernen. Aus dem sozialpädagogischen Bereich kannte ich bereits die Fallarbeit. Die Konzepte klangen sehr spannend und waren gleichzeitig mit viel Aufwand in der Vorbereitung und Durchführung verbunden. Da ich mich zum Zeitpunkt des Online-Kurses zum Problembasierten Lernen gerade in der Vorbereitung für meine Lehrveranstaltungen befand, beschloss ich mich in den Selbstlernphasen an einem entsprechenden Konzept für meine kommende Lehrveranstaltung zu versuchen. Challenge accepted!
Die ersten Entwürfe für den Problemfall entstanden in einem Diskussions- und Anpassungsprozess zusammen mit den anderen Lehrenden und der Referentin des Weiterbildungskurses. Da ich aus vorherigen Semestern Erfahrungen in der Anleitung und Begleitung von Gruppenarbeiten gesammelt habe, konnte ich das Konzept gut integrieren. Die Idee wurde immer konkreter: in meinem Seminar wollte ich, dass die circa 25 Studierenden in Kleingruppen einen Problemfall zum Thema Jugendhilfe und Justiz bearbeiten. Die Ergebnisse sollten abschließend als E-Portfolio präsentiert und im Laufe des Semesters von individuellen Blogbeiträgen zur Erfahrung in der Gruppenarbeit flankiert werden. Auch Expertinnen lud ich zum Seminar ein, um einen Praxis-Einblick zu ermöglichen und Diskussionen anzuregen.
Die Abkürzung PBL steht für Problembasiertes Lernen, das vernetztes Denken fördert und auf selbstbestimmtes und -reguliertes Lernen abzielt. Dabei werden Wissensinhalte in einen Kontext eingebunden. Insbesondere in den Niederladen und im medizinischen Bereich ist PBL schon längst eine etablierte Methode. Diese dient dort unter anderem der Grundlage der Neukonzeption von Studiengängen. In Deutschland findet PBL neben Medizin und Jura auch immer mehr in geisteswissenschaftlichen Studiengängen Anwendung. In den Kleingruppen herrscht intensive Interaktion. Die Gruppenmitglieder tragen die Selbstverantwortung für die Problembearbeitung. Es liegt meist eine hohe Praxisorientierung vor und die Methode kombiniert Inhalte mit Strategien der Aneignung und „aktiven Studieren“ statt frontaler Unterrichtsszenerie. Problembasiertes Lernen besteht aus acht Schritten:
Abbildung 1: Selbsterstellte Grafik zur Zusammenfassung des Konzepts und der Informationen des Problembasierten Lernens. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0.
Damit die Studierenden sich etwas kennenlernen und als Warm-Up der Sitzungen leitete ich verschiedene Ice-Breaker wie das Chatgewitter oder die Webentdeckungen an.
Einen spannenden Austausch generierte ich auch durch den ABC Impuls. Dabei entstand eine Sammlung zu den bisherigen Assoziationen des Seminars zu Beginn des zweiten Drittels. Die Studierenden nutzten dabei die Reihenfolge des Alphabets.
Abbildung 2: Selbsterstellte Grafik mit Beispielen von Warm-Up Aktivitäten wie „Chatgewitter Fragen“ und „Webentdeckung“. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0.
Abbildung 3: Selbsterstellte Grafik zur Zusammenfassung des ABC-Impuls. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0.
Neben den gängigen Anlaufstellen für Literaturrecherche, Prüfungsleistungen und Studienorganisation verwies ich auf folgende Tools, mit denen wir in der Lehrveranstaltung arbeiten würden. Im Learn-Management-System moodle wurden Materialien und Folien geteilt sowie später die Videokonferenzräume für die Kleingruppen angelegt. Die Kleingruppenarbeit und inhaltliche Arbeit zum Seminar Jugendhilfe und Justiz fand auf der E-Portfolio Plattform mahara statt. Dort erstellte ich eine entsprechende Seminargruppe, damit die Ansichten und Sammlungen sowohl von mir als auch von den Kleingruppen erstellt, gelesen und kommentiert werden konnten. Die Sammlung entspricht dem Stand von 2021 der entsprechenden Empfehlungen der Universität.
Zusätzlich zu den hochgeladenen Transkripten und leitenden Fragen bzw. Aufgabenstellungen für die Analyse kann in dem Whiteboard ein fester Platz vorstrukturiert werden, an dem Studierende Fragen, auf die sie während der Bearbeitung gestoßen sind, hinterlegen können. Dies hat den Vorteil, dass die Fragen für eine Nachbesprechung fixiert sind und nicht vergessen werden. Ggfs. können auch kurze Antworten auf andersfarbigen Karten als Lösungen oder Hilfestellungen formuliert werden.
Die Gruppeneinteilung der Studierenden zum Problembasierten Lernen nahm ich im zweiten Drittel der Veranstaltung vor. Wir erarbeiteten vorher gemeinem verschiedene Texte und diskutierten mit externen Gästen. Die Einteilung der Kleingruppen von maximal fünf Personen in sechs Gruppen wurde anhand der unterschiedlichen Fachrichten und Semester vorgenommen sowie mit der Bearbeitung verschiedener Texte. Die Liste mit den Namen und Gruppen wurde dann von mir vorgestellt und letzte Absprachen zur Arbeit der Kleingruppen vorgenommen. Im Anschluss konnten die Studierenden sich in den Kleingruppen und Breakouträumen noch austauschen und mich bei Rückfragen im Hauptraum von BigBlueButton kontaktieren.
Abbildung 4: Selbsterstellte Grafik des verwendeten Problems. Erstellt mit Genehmigung von Canva. CC BY-SA 4.0.
Die Lernziele habe ich insbesondere für den Problemfall formuliert, aber auch darüber hinaus für das gesamte Seminar: Was sind die Aufgaben und Arbeitsfelder der Jugendhilfe im Strafverfahren? Welche Kooperationsbeziehungen bestehen und wie sind diese ausgestaltet? Wie laufen Jugendgerichtsverfahren ab? Welche ambulanten und stationären Maßnahmen gibt es überhaupt und wie erfolgreich sind diese? Wer ist überhaupt Adressat*in der Jugendgerichtshilfe oder Jugendhilfe im Strafverfahren? Innerhalb welcher Gesetzbücher und Haltungen/Zielen arbeitet die Jugendhilfe im Strafverfahren? Was passiert eigentlich nach einem Haftaufenthalt?
Die Kleingruppen arbeiteten anschließend über fünf Wochen an dem gleichen Fall und formulierten individuell drei Blogbeiträge, die sie nur mit mir als Lehrperson über mahara teilten.
Blogbeitrag 1: Eigene Erwartungen, Motivation und Ängste
Blogbeitrag 2: Einordnung in Gruppenprozess, Zusammenarbeit und eigene Rolle
Blogbeitrag 3: Lesson learned, was inhaltlich und persönlich aus A) Seminar und B) insbesondere Methode des PBL gelernt/mitgenommen
Meine eigene Reflexion des ersten Seminars mit Problembasiertem Lernen ist nun schon fast zwei Jahre her. Gleichzeitig ist es mir noch ziemlich präsent, mit welchen Unsicherheiten und Erwartungen ich die Veranstaltung durchführte. Meine Motivation und Freude am Ausprobieren von PBL hielt an und schien auf die Studierenden überzugehen, da nur wenige das Seminar abbrachen oder sich abmeldeten. Die Durchführung von online Lehrveranstaltungen kannte ich, mahara als E-Portfolio Plattform war mir bekannt und ich hatte einen sicheren Umgang mit den Inhalten der Lehrveranstaltung. Die Begleitung der Kleingruppen über fünf Wochen empfand ich als angenehm und der jeweils kurze Austausch mit den Studierenden machte mir Spaß. Die Moderation, Beratung und Begleitung der Lern- und Arbeitsprozesse fiel mir leicht. Die Auswahl und Bereitstellung von Inhalten als Grundlage war im Vorfeld ziemlich aufwändig, auch die Koordination der Gäste und ihrer Vorträge beanspruchte während Lockdown und Kita- und Schulschließungen einige Kapazitäten mehr als sonst. Die Erarbeitung des Falls und der Lehrveranstaltung mit PBL hätte ich wahrscheinlich nicht ohne die entsprechende Weiterbildungsveranstaltung geleistet. Dort konnte ich mir spezifisches Wissen zur Methode aneignen sowie direktes Feedback von Kolleg*innen zum Fall nutzen und mich austauschen.
Die Studierenden fassten ihre Eindrücke des gesamten Seminars in drei Blogbeiträge zusammen, die entsprechend unterschiedlich auch in der Bewertung der Methode ausfielen. Zu Beginn waren die Vorbehalte und Ängste hoch, sowohl im Hinblick auf die Methode als auch auf die E-Portfolio Plattform mahara. Die Zusammenarbeit in den Kleingruppen lief im Spannungsfeld von harmonisch-zielorientiert bis aufreibend-diffus. Entsprechend fielen die Bewertungen zum eigenen Lernerfolg aus.
Ich würde mich gern erneut einer Challenge in der Umsetzung Problembasierten Lernens annehmen und in angepasster Form eine Lehrveranstaltung mit Problembasiertem Lernen anbieten. Das Thema Jugendhilfe und Justiz finde ich weiterhin spannend und würde ebenso wieder mahara als E-Portfolio Plattform verwenden wollen. In einer Präsenzveranstaltung wäre die Arbeitsraumatmosphäre schöner und ein Kennenlernen sowie die Gruppeneinteilung wären vermutlich leichter zu gestalten.
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